Der letzte Coyote
werde das ändern.«
»Sie verstehen nicht, was ich sage. Ich will nicht, daß eine schuldige Person davonkommt, besonders nicht bei Mord. Aber ich spreche von Ihnen. Nur Sie interessieren mich hier. Es gibt ein grundlegendes Naturgesetz: Kein Lebewesen opfert oder verletzt sich unnötig. Das ist Überlebensinstinkt, und ich glaube, Ihre Lebensumstände haben ihn abgestumpft. Sie werfen alle Vorsicht über Bord, weil es Ihnen egal ist, was psychisch und physisch mit Ihnen bei dieser Jagd passiert. Ich will aber nicht, daß Sie zu Schaden kommen.«
Sie machte eine Pause, um durchzuatmen. Er sagte nichts.
»Ich muß Ihnen sagen«, fuhr sie fort, »diese Angelegenheit beunruhigt mich. Mit so einer Situation war ich noch nie konfrontiert, und ich habe wahrhaftig viele Polizisten in meinen neun Jahren hier therapiert.«
»Dann habe ich schlechte Nachrichten für Sie.« Er lächelte. »Ich habe mich gestern abend bei einer von Mittels Parties reingeschmuggelt und ihm einen Schrecken eingejagt – und mir.«
»Scheiße.«
»Ist das ein neuer psychiatrischer Begriff? Ich kenne ihn nicht.«
»Das ist nicht witzig. Warum haben Sie das getan?«
Bosch dachte einen Moment nach.
»Ich weiß es nicht. Es war spontan. Ich fuhr an seinem Haus vorbei, und eine Party war im Gange. Es hat mich irgendwie … wütend gemacht. Daß er eine Party gab und meine Mutter …«
»Haben Sie mit ihm über den Fall gesprochen?«
»Nein, ich habe ihm noch nicht einmal meinen Namen gesagt. Wir haben uns nur gegenseitig abgetastet. Aber ich habe ihm etwas überbringen lassen. Erinnern Sie sich an den Artikel, den ich Ihnen Mittwoch zeigte? Ich beobachtete, wie er ihn las. Ich glaube, ich habe einen Nerv getroffen.«
Sie atmete laut aus.
»Okay. Schlüpfen Sie mal aus Ihrer Haut und beurteilen Sie als Unbeteiligter, was Sie getan haben. War das klug, einfach da aufzukreuzen?«
»Ich habe schon darüber nachgedacht. Nein, es war nicht klug. Es war ein Fehler. Wahrscheinlich warnt er Conklin. Sie wissen jetzt, daß es jemanden gibt, der hinter ihnen her ist. Sie werden auf Schulterschluß gehen.«
»Sie beweisen gerade, wie recht ich habe. Ich möchte, daß Sie mir versprechen, keine Dummheiten mehr zu machen.«
»Das kann ich nicht.«
»In dem Fall muß ich Ihnen mitteilen, daß das Arzt-Patienten-Verhältnis gebrochen werden kann, wenn der Therapeut glaubt, daß der Patient sich oder andere in Gefahr bringt. Ich habe gesagt, daß ich machtlos bin, Sie aufzuhalten. Das stimmt nicht ganz.«
»Sie würden zu Irving gehen?«
»Wenn ich glaube, daß Sie sich oder andere gefährden, ja.«
Bosch wurde wütend, als er merkte, daß sie ihn letztendlich in der Hand hatte. Er schluckte seine Wut jedoch runter und hielt seine Hände hoch, um sich zu ergeben.
»Okay, ich werde nicht mehr ungeladen auf Partys erscheinen.«
»Nein, das reicht nicht. Ich will, daß Sie sich von den Leuten fernhalten, die Sie verdächtigen.«
»Ich verspreche Ihnen, daß ich sie erst dann aufsuche, wenn ich die Lösung im Sack habe.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
»Das hoffe ich.«
Danach schwiegen sie fast eine Minute – zur Abkühlung. Hinojos wandte sich etwas zur Seite und schaute ihn nicht an. Wahrscheinlich überlegte sie, was sie als nächstes sagen sollte.
»Machen wir weiter«, sagte sie endlich. »Sie verstehen, daß diese Sache, diese Jagd nach dem Mörder, den eigentlichen Zweck dieser Sitzung überschattet?«
»Ich weiß.«
»Mein Gutachten wird also weiter aufgeschoben.«
»Das stört mich nicht mehr so sehr. Ich brauche die freie Zeit für meine Ermittlungen.«
»Nun, solange es Sie glücklich macht«, sagte sie sarkastisch. »Also, ich möchte auf den Vorfall zurückkommen, weswegen Sie hier sind. Die letzten Male haben Sie nur sehr allgemein und kurz darüber gesprochen. Ich weiß warum. Zuerst haben wir uns nur abgetastet. Wir sind jetzt jedoch weiter. Ich möchte eine vollständigere Schilderung. Sie sagten, daß Lieutenant Pounds die Sache ins Rollen brachte.«
»Das ist richtig.«
»Wie?«
»Zuerst einmal: Er ist Commander der Detectives, ohne selbst je Detective gewesen zu sein. Genauer gesagt, er hat mal ein paar Monate irgendwo an einem Mord-Tisch gesessen, aber nur, um es auf seinen Lebenslauf setzen zu können. Im Grunde ist er ein Verwaltungsmensch. Er hat keine Ahnung, wie man Fälle löst, nur wie man sie auf der Liste in seinem Büro abhakt. Der Unterschied zwischen Befragen und Verhören ist ihm schleierhaft.
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