Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
gesteckt und dann sind Edgar und ich runter zum Wachbüro, um guten Kaffee zu holen. Sie haben guten Kaffee dort unten. Ein Restaurant, das vom Erbeben zerstört wurde, hatte eine dieser großen Maschinen gespendet. Jeder holt sich den Kaffee dort. Nun, wir lassen uns Zeit und besprechen, wie wir vorgehen wollen. Wer anfängt und so weiter. In der Zwischenzeit sieht Pounds, dieses Arschloch – entschuldigen Sie –, den Typen durch das kleine Fenster im Raum sitzen und belehrt ihn. Und …«
    »Was meinen Sie mit ›belehrt ihn‹?«
    »Er belehrt ihn über seine Rechte. Es ist unser verdammte Zeuge, und Pounds, der nicht weiß, was er anrichtet, denkt, er muß reingehen und diese Nummer abziehen. Als ob wir es vergessen hätten.«
    Bosch war aufs neue aufgebracht und sah sie an. Er merkte aber gleich, daß sie nicht verstand.
    »War das nicht die korrekte Vorgehensweise?« fragte sie. »Sind Sie nicht gesetzlich verpflichtet, die Leute über ihre Rechte zu belehren?«
    Bosch bemühte sich, seine Wut zu kontrollieren, indem er sich sagte, daß Hinojos zwar für die Polizei arbeitete, aber eine Außenseiterin war. Sie bezog ihre Vorstellungen von Polizeiarbeit wahrscheinlich mehr aus dem Fernsehen als aus der Realität.
    »Am besten, ich gebe Ihnen einen Schnellkurs über Theorie und Praxis. Wir – die Cops – haben die schlechteren Karten. Das Miranda-Präzedenzurteil und all die anderen Vorschriften laufen darauf hinaus, daß wir zu einem Typen, von dem wir wissen – oder zumindest glauben –, daß er der Täter ist, sagen: ›Paß auf, wir glauben, du warst es. Allerdings würde dir der Höchste Gerichtshof und jeder Rechtsanwalt auf diesem Planeten raten, nicht mit uns zu reden. Also, hast du Lust, mit uns zu sprechen?‹ – Es geht einfach nicht. Man muß es mit List und Tücke umgehen, man muß bluffen – und man muß geschickt sein. Die Gesetzesvorschriften sind wie ein Drahtseil, auf dem man balanciert. Man muß sehr vorsichtig sein, dann besteht die Chance, daß man es zur anderen Seite schafft. Wenn also so ein Idiot, der nicht einmal weiß, wo sich sein eigenes Arschloch befindet, reinspaziert und den Verdächtigen belehrt, kann das einem den ganzen Tag ruinieren – vom Fall ganz zu schweigen.«
    Er hielt inne und sah sie an. Ihr Gesichtsausdruck war immer noch skeptisch. Ihm war jetzt klar, daß sie sich wie jeder andere Bürger vor Furcht in die Hosen machen würde, falls sie wüßte, wie es wirklich da draußen zuging.
    »Sowie jemand belehrt wird, ist alles zu spät«, sagte er. »Edgar und ich kamen zurück von der Wache, und der Freier verlangt sofort einen Anwalt. Ich sagte, ›Was für einen Anwalt? Sie sind ein Zeuge, kein Verdächtiger.‹ Und er antwortet nur, daß der Lieutenant ihm gerade seine Rechte vorgelesen hat. Ich weiß nicht, wen ich in dem Moment mehr gehaßt habe, Pounds, der es vermasselt hat, oder diesen Typen, der das Mädchen umgebracht hat.«
    »Okay, erzählen Sie mir, was passiert wäre, wenn Pounds sich nicht eingemischt hätte.«
    »Wir hätten es auf die freundliche Tour versucht, hätten ihn nach allen möglichen Details gefragt und gehofft, daß sich Widersprüche zu seiner ersten Aussage ergeben. Dann hätten wir gesagt: ›Ihre widersprüchlichen Aussagen machen Sie verdächtig.‹ Dann hätten wir ihn belehrt und ihn hoffentlich mit Hilfe der Widersprüche und den anderen Indizien durch die Mangel gedreht. Wir hätten es versucht und vielleicht geschafft, ein Geständnis herauszuquetschen. Meistens bringen wir die Leute nur zum Reden. Es ist nicht wie im Fernsehen. Es ist hundertmal schwerer und dreckiger. Aber wie Sie bringen wir Leuten zum Reden … Das ist wenigstens meine Ansicht. Wir werden es diesmal jedoch wegen Pounds nie erfahren.«
    »Und was passierte, als Sie erfuhren, daß er belehrt worden war?«
    »Ich bin raus und direkt zu Pounds Büro. Er wußte, daß etwas schiefgelaufen war, denn er stand auf. Daran erinnere ich mich. Ich fragte ihn, ob er dem Typen seine Rechte vorgelesen habe, und er sagte ja. Dann ging’s los. Wir schrien beide … Ich erinnere mich nicht, was dann passierte. Nicht, daß ich etwas leugnen will. Ich erinnere mich einfach nicht an Einzelheiten. Ich muß ihn gepackt und dann gestoßen haben. Er flog mit dem Gesicht durchs Glas.«
    »Was taten Sie, als das passiert war?«
    »Nun, ein paar Kollegen kamen hereingerannt und zogen mich raus. Der Commander des Reviers schickte mich nach Hause. Pounds mußte ins Krankenhaus, um

Weitere Kostenlose Bücher