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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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es hier aufzuhängen. Ich hätte es eigentlich abnehmen sollen.«
    Sie ging zur Wand und hob das Gemälde an.
    »Ihr Vater?«
    Er ging auf die andere Seite, um ihr zu helfen.
    »Ja, ich habe es ihm vor langer Zeit geschenkt. Damals war ich dankbar, daß er es nicht ins Wohnzimmer hängte, wo seine Freunde es sehen würden. Aber selbst hier wirkte es ein bißchen aufdringlich.«
    Sie drehte das Bild um und lehnte es an die Wand. Bosch dachte über das Gesagte nach.
    »Das ist die Wohnung Ihres Vaters?«
    »Natürlich. Ich wohne nur hier, solange die Anzeige in der Zeitung ist. Wollen Sie das große Badezimmer sehen? Es hat einen Whirlpool. Das stand nicht in der Anzeige.«
    Als er an ihr vorbei zum Badezimmer ging, roch er ihr Parfüm. Jasmin – wie ihr Name. Er schaute instinktiv auf ihre Hände und sah keine Ringe. Irgendwie zog sie ihn an. Er wußte jedoch nicht, ob sein Gefühl verläßlich war oder ob ihn nur der Kitzel reizte, jemandem etwas vorzuspielen. Er kam zu dem Schluß, daß er erschöpft war. Seine Abwehrmechanismen waren geschwächt. Er guckte sich kurz im Badezimmer um und ging wieder hinaus.
    »Schön. Hat er allein gelebt?«
    »Mein Vater? Ja. Meine Mutter starb, als ich klein war. Mein Vater verschied letzte Weihnachten.«
    »Mein Beileid.«
    »Danke. Was möchten Sie noch wissen?«
    »Nichts. Ich war nur neugierig, wer hier gewohnt hat.«
    »Nein, ich meine, was kann ich Ihnen über die Wohnung erzählen?«
    »Oh, ich … nichts. Es ist sehr schön. Aber ich wollte mich erst mal nur umsehen. Ich bin mir noch nicht sicher, was ich tue. Ich …«
    »Was tun Sie eigentlich wirklich?«
    »Wie bitte?«
    »Was tun Sie hier, Mr. Bosch? Sie suchen nicht nach einer Wohnung. Sie sehen sich diese Wohnung doch gar nicht richtig an.«
    Sie klang nicht zornig. Ihre Stimme war von der Selbstsicherheit erfüllt, verborgene Gedanken lesen zu können. Bosch merkte, wie er rot wurde. Er war ertappt.
    »Ich bin nur … Ich wollte mich nur mal umsehen.«
    Es war eine schwache Replik, und er wußte es. Aber es fiel ihm nichts anderes ein. Sie spürte seine mißliche Lage und bohrte nicht weiter.
    »Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Möchten Sie den Rest der Wohnung sehen?«
    »Ja … hm, sagten Sie, es sind drei Schlafzimmer? Das ist eigentlich zu groß für mich.«
    »Ja, drei. Aber das stand auch in der Zeitung.«
    Glücklicherweise konnte Bosch nicht noch mehr erröten.
    »Oh«, sagte er, »das habe ich übersehen. Hm, trotzdem danke für die Führung. Die Wohnung ist wunderschön.«
    Er ging schnell durch das Wohnzimmer zur Tür. Während er sie öffnete, drehte er sich um. Sie sprach, bevor er etwas sagen konnte.
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es eine interessante Geschichte ist.«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Was immer Sie tun. Falls Sie es mir jemals erzählen wollen, die Nummer steht in der Zeitung. Aber das wissen Sie ja schon.«
    Bosch nickte. Es hatte ihm die Sprache verschlagen. Er trat durch die Tür und schloß sie hinter sich.

23
    A ls Bosch das Haus erreichte, vor dem der Lincoln Town Car gestanden hatte, hatte sein Gesicht wieder eine normale Farbe angenommen. Es war ihm mehr als peinlich gewesen, daß die Frau ihn so in die Enge getrieben hatte. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Er parkte, ging auf die nächste Tür im Erdgeschoß zu und klopfte. Nach einer Weile öffnete eine alte Frau. Sie sah ihn mit verschreckten Augen an. Mit einer Hand schob sie eine kleine, zweirädrige Karre, auf der eine Sauerstoffflasche befestigt war. Zwei durchsichtige Plastikkanülen wanden sich über ihre Ohren und beide Wangen in die Nasenlöcher.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte er schnell. »Ich suche die McKittricks.«
    Sie hob ihre zerbrechliche Hand, machte eine Faust und deutete mit dem Daumen an die Decke. Auch ihre Augen richteten sich nach oben.
    »Oben?«
    Sie nickte. Er bedankte sich und ging zur Treppe.
    Die Frau, die das rote Kuvert abgeholt hatte, öffnete im Stockwerk drüber die Tür. Bosch atmete aus, als hätte er sein Leben lang nach ihr gesucht. Es kam ihm auch fast so vor.
    »Mrs. McKittrick?«
    »Ja?«
    Bosch holte das Etui heraus und öffnete es.
    Er hielt es so, daß zwei Finger das Wort LIEUTENANT verdeckten.
    »Mein Name ist Harry Bosch. Ich bin Detective bei der Polizei in Los Angeles. Ist Ihr Mann zu Hause? Ich würde gern mit ihm sprechen.«
    Sofort bewölkte sich ihr Gesicht.
    »Los

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