Der letzte Coyote
Angeles? Er ist schon zwanzig Jahre nicht mehr dort!«
»Es handelt sich um einen alten Fall. Man hat mich hierhergeschickt.«
»Sie hätten doch anrufen können.«
»Wir hatten keine Telefonnummer. Ist er hier?«
»Nein, er ist auf dem Boot. Er will angeln.«
»Wo ist es? Vielleicht finde ich ihn da.«
»Er mag eigentlich keine Überraschungen.«
»Nun, es wird so oder so eine Überraschung sein. Ob Sie es ihm sagen oder ich. Das macht keinen Unterschied. Ich muß nur mit ihm sprechen, Mrs. McKittrick.«
Vielleicht war sie den energischen Ton, in den Polizisten automatisch verfielen, gewohnt. Sie gab nach.
»Gehen Sie hier um das Haus herum und dann an den drei nächsten Gebäuden vorbei. Dann links, danach sehen Sie die Anlegestellen schon.«
»Wo ist sein Boot?«
»Platz sechs. Es heißt TROPHY. Der Name steht in großen Lettern an der Seite. Sie können es nicht verfehlen. Er ist bestimmt noch nicht weg. Ich soll ihm noch sein Lunch bringen.«
»Danke.«
Er war schon auf dem Weg zur Treppe, als sie ihm nachrief:
»Detective Bosch? Bleiben Sie länger? Soll ich Ihnen auch ein Sandwich machen?«
»Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, aber das wäre nett von Ihnen.«
Während er zum Hafen ging, fiel ihm ein, daß die Frau mit dem Namen Jasmine ihm nicht wie versprochen Limonade angeboten hatte.
24
E s dauerte fünfzehn Minuten, bis Bosch die kleine Bucht mit den Anlegestellen gefunden hatte. McKittrick selbst war leichter zu entdecken. Ungefähr vierzig Boote ankerten hier, aber nur auf einem Boot war jemand zu sehen. Ein Mann mit dunkelbrauner Haut und weißen Haaren beugte sich am Heck über den Außenbordmotor. Bosch studierte ihn beim Näherkommen, aber er erkannte ihn nicht wieder. Er entsprach nicht der Erinnerung, die Bosch von dem Mann hatte, der ihn vor langer Zeit aus dem Schwimmbecken gezogen hatte.
Die Abdeckung vom Motor war fortgenommen worden, und der Mann hantierte mit einem Schraubenzieher. Er trug Khaki-Shorts und ein weißes Golfhemd, das zu alt und fleckig fürs Golfspielen war, aber noch gut genug zum Angeln. Das Boot war circa sieben Meter lang und hatte eine kleine Kabine auf dem Vorderdeck, wo sich das Steuer befand. An den Seiten standen Angelruten in Halterungen, je zwei an Back- und Steuerbord.
Bosch blieb mit Absicht am Bug des Boots stehen. Er wollte auf Distanz bleiben, wenn er die Dienstmarke vorzeigte. Er lächelte.
»Ich hätte nie gedacht, daß ich jemandem vom Mord-Tisch in Hollywood so weit weg von zu Hause finde«, sagte er.
McKittrick schaute auf. Sein Gesicht zeigte jedoch keine Überraschung, verriet nichts.
»Sie irren sich. Hier ist mein Zuhause. Als ich dort war, war ich weit weg.«
Bosch widersprach nicht und nickte. Dann holte er die Dienstmarke heraus und hielt sie abermals halb verdeckt.
»Harry Bosch, Hollywood Mord-Tisch.«
»Ja, das habe ich gehört.«
Nun sah allerdings Bosch überrascht aus. Er konnte sich nicht denken, wer in L. A. McKittrick sein Kommen hätte ankündigen können. Niemand wußte davon. Er hatte es nur Hinojos erzählt und konnte sich nicht vorstellen, daß sie ihn verraten würde.
McKittrick befreite ihn von dieser Sorge, indem er auf das Handy auf dem Armaturenbrett zeigte.
»Meine Frau hat angerufen. Worum geht’s, Detective Bosch? Als ich noch im Dienst war, hatten wir immer einen Partner. War sicherer so. Sind Sie so unterbesetzt, daß Sie jetzt alleine arbeiten?«
»Eigentlich nicht. Mein Partner ermittelt in einem anderen alten Fall. Die Chancen zur Aufklärung sind so gering, daß man nicht Geld für zwei Flugkarten verschwendet.«
»Das müssen Sie mir näher erklären.«
»Gern. Kann ich aufs Boot kommen?«
»Wie Sie wollen. Sobald meine Frau mit dem Essen kommt, lege ich ab.«
Bosch lief über einen schmalen Steg an die Seite von McKittricks Boot und ging an Bord. Das Boot schwankte leicht, stabilisierte sich dann aber wieder. McKittrick legte die Abdeckung auf den Motor und befestigte sie. Bosch fühlte sich fehl am Platze. Er trug Straßenschuhe, schwarze Jeans, ein armeegrünes T-Shirt und eine leichte, schwarze Sportjacke. Und ihm war immer noch heiß. Er zog die Jacke aus und legte sie gefaltet auf einen der beiden Stühle am Steuer.
»Wonach angeln Sie?«
»Was anbeißt. Wonach angeln Sie?«
Er sah Bosch direkt an, als er fragte. Seine Augen hatten die Farbe von dunkelbraunen Bierflaschen.
»Nun, Sie haben sicher von dem Erdbeben gehört, nicht wahr?«
»Natürlich, wer nicht. Ich
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