Der letzte Coyote
abermals das Schild an. Dann wendete er und fuhr zurück zur Hauptstraße. Kurz bevor sie abgebogen waren, hatte er dort ein Einkaufszentrum gesehen.
Im Anzeigenteil der Sarasota Herald-Tribune waren acht Eigentumswohnungen in Pelican Cove zum Verkauf angeboten, aber nur drei waren direkt von den Eigentümern inseriert worden. Bosch ging zu einem Münztelefon und wählte die erste Nummer. Ein Anrufbeantworter meldete sich. Unter der zweiten Nummer meldete sich eine Frau. Sie sagte, daß ihr Mann heute Golf spiele und sie ihm nicht gern allein die Wohnung zeigen würde. Beim dritten Anruf lud ihn eine Frau ein, sofort zu kommen, und erwähnte sogar, daß sie frische Limonade gemacht hätte.
Bosch hatte einen Moment lang Gewissensbisse, weil er eine Fremde ausnutzte, die ihre Wohnung verkaufen wollte. Aber sie vergingen schnell, weil er sich dachte, daß die Frau es nie erfahren würde und es sonst keine Möglichkeit gab, zu McKittrick zu gelangen.
Nachdem man ihn am Tor durchgelassen und ihm auf einem Plan die Wohnung der Frau eingezeichnet hatte, fuhr Bosch durch einen dichtbewaldeten Komplex und suchte nach dem silbernen Town Car. Er merkte bald, daß die meisten Anwohner Rentner waren. Sie fuhren mit dem Auto oder gingen zu Fuß, und fast alle hatten weißes Haar und braune Haut. Er fand den Town Car bald und orientierte sich auf dem Plan, um der Limonaden-Frau einen kurzen Besuch abzustatten, damit er keinen Verdacht erregte. Dann sah er jedoch noch einen silbernen Town Car. Anscheinend war er bei Rentnern sehr beliebt. Er holte sein Notizbuch heraus und kontrollierte die Nummer. Keiner der Wagen war der richtige.
Er fuhr weiter und fand schließlich den richtigen Wagen an einer abgelegenen Stelle am äußersten Rand des Siedlungskomplexes. Er stand vor einem zweistöckigen Gebäude, das mit dunklem Holz verkleidet und von Eichen umgeben war. Anscheinend gab es sechs Wohnungen in dem Haus. Es sollte nicht schwierig sein, McKittrick zu finden. Er zog die Karte zu Rate und machte sich auf den Weg zur Limonaden-Frau.
»Sie sind noch so jung«, sagte sie erstaunt, als sie öffnete.
Bosch wollte das gleiche sagen, biß sich aber auf die Zunge. Sie war Mitte bis Ende Dreißig und damit drei Jahrzehnte jünger als jeder, den Bosch bisher hier gesehen hatte. Ihr Gesicht war attraktiv, von ebenmäßiger Bräune und eingerahmt von braunem schulterlangem Haar. Sie trug Blue Jeans, ein blaues Oxford-Hemd und eine schwarze Weste mit einem farbigen Muster. Es gefiel Bosch, daß sie nur wenig Make-up benutzte. Und sie sah ihn mit ernsten grünen Augen an, wogegen er ebenfalls nichts hatte.
»Ich bin Jasmine. Sind Sie Mr. Bosch?«
»Ja, Harry. Ich habe eben angerufen.«
»Das ging aber schnell.«
»Ich war in der Nähe.«
Sie bat ihn hereinzukommen und begann ihm die Wohnung zu zeigen.
»Drei Schlafzimmer, wie es in der Anzeige steht. Das große Schlafzimmer hat ein eigenes Bad. Das zweite Badezimmer geht vom Flur ab. Die Aussicht ist allerdings das Besondere an der Wohnung.«
Sie zeigte auf das Panoramafenster mit Schiebetüren, hinter dem man eine weite Wasserfläche sah, übersät von Mangroveninseln. Hunderte Vögel saßen auf den ansonst unberührten Inseln. Sie hatte recht, die Aussicht war herrlich.
»Was ist das?« fragte Bosch. »Das Wasser?«
»Das … Ach, Sie sind nicht von hier? Das ist Little Sarasota Bay.«
Bosch nickte, während er den Fehler verarbeitete, den er mit seiner spontanen Frage gemacht hatte.
»Nein, ich bin nicht von hier. Aber ich habe vor, hierherzuziehen.«
»Woher kommen Sie?«
»Los Angeles.«
»Ach ja, viele Leute packen jetzt ihre Sachen dort. Weil die Erde nicht aufhört zu beben.«
»So könnte man’s sagen.«
Sie führte ihn den Flur entlang zum großen Schlafzimmer. Bosch fiel sofort auf, daß der Raum nicht zu der Frau paßte. Alles war dunkel, alt und schwer. Eine Mahagoni-Kommode, die aussah, als wöge sie eine Tonne, zwei Nachttische mit überladenen Lampen und Brokatschirmen. Das Zimmer roch nach Alter. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie hier schlief.
Er drehte sich um und bemerkte an der Wand neben der Tür ein Ölporträt der Frau, die neben ihm stand. Auf dem Bild war sie jünger, ihr Gesicht schmaler und strenger. Bosch fragte sich gerade, was für eine Person ein Porträt von sich im Schlafzimmer aufhängen würde, als er sah, daß das Gemälde signiert war. Der Name des Künstlers war Jazz.
»Jazz. Sind Sie das?«
»Ja. Mein Vater bestand darauf,
Weitere Kostenlose Bücher