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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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der Drache.
    »Ein Junges«, präzisierte der Jäger.
    »Ein Unlängstgeborener«, verbesserte der Kleine.
    »Das war, als ich noch einen Namen trug. Jetzt ist er mir entfallen, da ihn jahrhundertelang niemand mehr ausgesprochen hat. Ich kam an diesen Ort, weil sich der kostbarste Schatz der Welt hier befindet«, fuhr der Drache fort.
    »Ach ja?«, fragte Monser mit aufflackerndem Interesse. »Ein Schatz? Und wo ist der?«
    »Hier ringsum.«
    Der Jäger blickte sich um: Er sah nur Stalaktiten und Spinnweben.
    »Galten Spinnen in der Zweiten Runendynastie als kostbar?«
    »Bewundere und staune«, sagte der Drache. Er blies die Backen auf und pustete vorsichtig. »Das war die große Bibliothek der Zweiten Runendynastie. Es war der Tempel des Wissens, und hier hatte man sich zu benehmen wie in einem Tempel, still und ohne zu spucken, mit sauberen Händen und abgestaubten Schuhen. Und um sicherzugehen, dass sich alle auch wirklich ordentlich benahmen, wachten hier seit jeher die Drachen, und deswegen ist da auch die Inschrift, dass hier die Drachen wohnen. Das hier war die größte Ansammlung von Wissen. Dann ging den Menschen die Schrift verloren. Sie vergaßen, wie man schreibt und liest. Die Welt versank in Barbarei. Sogar die Erinnerung an diesen Ort ging verloren. Viele glaubten nicht einmal, dass er existiert, aber ich mit meinen Flügeln habe ihn schließlich gefunden. Und groß war meine Freude, als ich hier ankam. Alle Bücher der Welt nur für mich. Noch hanget eine Zähre mir an der Wimper, gedenke ich des Augenblicks.
    Als ich fühlte, wie das Alter nahte und meine Kräfte schwanden, sodass ich kein Feuer mehr habe und auch die Flügel nicht mehr weit tragen, kam ich her und begann, mein Dasein hier zu fristen.
    Ich war zu müde, zu alt geworden, um noch zu fliegen.
    Alles, was ich bei mir hatte, um nicht hungers zu sterben, war ein Häufchen goldener Bohnen, die ich am Grund meiner inneren Flügeltasche fand, die hatte ich gesammelt an den entlegenen Gestaden, wo die Sonne heiß brennt und der Regen reichlich fällt, und so blieb mir, um nicht hungers zu sterben, nur eines: Bohnen anbauen, die brauchen aber mehr Wärme und Feuchtigkeit, als es auf diesen Bergeshöhen gibt.
    Dieser Berg ist jedoch ein Vulkan. Ich habe den Stein beiseitegeschoben, und schön warm strömte dichter Dampf herauf, wärmte mir die Glieder und meine Bohnen, sodass die Glieder nicht mehr schmerzten und die Bohnen vorzüglich gediehen.
    Gleich aber beschlich mich Furcht, dass all der Dampf, der zum Himmel aufstieg, die Sonne verfinstern und die Erde erkalten lassen könne, aber zu schwer war es mir, den Krater wieder zu schließen und hierherinnen vor Hunger und Kälte zu schlottern, in Eiseskälte und ohne etwas zwischen den Zähnen.«
    »Durch deine Schuld herrschen auf der Welt Hunger und Elend!«, rief der Kleine entrüstet, während der Jäger versuchte, ihn von den Nüstern des Drachen wegzuziehen.
    Der Drache begann wieder zu jammern. Es war ein ruhiges und leises Gewimmer. Die Stalaktiten rührten sich nicht von der Stelle.
    »Bringen denn alle, die wir kennenlernen, ihre Zeit mit Weinen zu?«, fragte Monser.
    »Nein, nicht alle«, erwiderte die Frau fröhlich, »nur diejenigen, die ihre Zeit nicht damit verbringen, uns hängen zu wollen.«
    »Kannst du diesen großen Stein wieder an seinen Platz rücken?«, fragte der Kleine bestimmt, aber höflich.
    »Und dann sterbe ich an Kälte, Schwäche und Hunger?«
    »Nein«, sagte der Kleine tapfer, noch bestimmter, ruhiger und entschiedener, »ich lasse dich nicht sterben. Ich schwöre, dass ich hierbleibe und dich ernähre. Ich will diesen Ort warm halten, indem ich Feuer mache, Holz und Reisig sammle ich im Wald. Wenn keine Bohnen mehr wachsen, pflanze ich Mais an. Ich will dich ernähren. Ich will dich wärmen. Das schwöre ich bei meiner Elfenehre.«
    Langes Schweigen. Yorschkrunsquarkljolnerstrink war ruhig und ernst. Fast sah es aus, als sei er gewachsen.
    Der Drache sprach als Erster. »Gar alt bin ich und wohl auch schwach. Ich kann nicht mehr fliegen, ich kann nicht mehr Feuer speien. Nichts vermag ich, wenn du mich betrügst, als mit leerem Magen zu erfrieren.«
    Er streckte sich der Länge nach aus, die lange Schnauze am Boden.
    Er schloss die Augen.
    Langes Schweigen.
    Yorschkrunsquarkljolnerstrink ging zum Drachen. Er legte ihm eine Hand auf die Stirn: Seine Fingerspitzen glitten über große, schrundige Schuppen. Eine unendliche Müdigkeit. Der Kleine nahm sie durch

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