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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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der Frau und dem Jäger zu gehen. In Ruhe und mit deren Hilfe würde er sich dann vielleicht auch eine Braut suchen können. Zugegeben, er war noch etwas jung, aber unter Elfen ist es Brauch, sich sehr früh nach einer Braut umzusehen, auch wenn es dann bis zur Hochzeit noch Jahre dauern kann.
    Denn Elfen haben nämlich in ihrem ganzen Leben nur eine einzige Liebe.
    Oft kommt in Elfengeschichten ein Spielzeug vor, das die Eltern als Kinder gemeinsam benutzt haben und mit dem dann ihre Kinder spielen. In seinem Fall war das der blaue Kreisel: Sein Papa hatte ihn als Kind seiner Mama geschenkt und später war er sein Spielzeug geworden.
    Wie das im Einzelnen alles vor sich gehen sollte, davon hatte Yorsch keine Vorstellung. Er fragte den Drachen, ob sein Kleid passend sei, wenn er sich eine Braut suchen wolle, und wohlwollend versicherte ihm der Drache, dass, wer ihn in dieser Kleidung akzeptierte, ein Ausbund an Toleranz und Freizügigkeit sein müsse.
    Dann schlug der Drache die Augen nieder und nagte weiter an den Flügeln eines gebratenen Vogels.
    »Was machst du denn da?«, fragte der Elf fassungslos.
    »Ich frühstücke«, antwortete der Drache vergnügt. Er deutete auf den langen Spieß, den er sich aus dem ganzen Stamm einer jungen Tanne gemacht hatte und an dem noch die abgenagten Gerippe von einem Dutzend Elstern, Käuzchen und Auerhähnen steckten. »Auf diese Weise habe ich dir bei den Hochzeitsvorbereitungen geholfen. Die halbe Arbeit ist schon getan, um deine Bleibe wohnlich zu machen, und wenn du eine Frau mitbringst, hat sie es bequemer. Ich habe mit den Vögeln aufgeräumt, du brauchst nur noch den Boden zu putzen. Die Hälfte der Arbeit habe ich dir abgenommen.«
    Gelähmt vor Entsetzen und Grauen, starrte Yorsch ihn an. Er hatte die Elstern gefressen! Und die Käuzchen! Die kleinen, niedlichen Käuzchen mit ihrer netten, unbeholfen grausamen Art und die zarten Elstern!
    In Wirklichkeit machten sie natürlich einen Höllenlärm, ganz zu schweigen von der Menge an Exkrementen, die sie ständig hinterließen. Ehrlich gesagt, waren sie absolut unerträglich, aber das berechtigte niemanden, sie eine nach der anderen zu vertilgen wie Erbsen in der Schote.
    »Wie konntest du nur?«, fragte er, sobald er seine Stimme wiederfand.
    »Mit Rosmarin«, antwortete der Drache gleichmütig. »Gleich neben dem Tor wächst ein Strauch.«
     
     
    Der Drache gähnte und begann, in den Zähnen zu stochern, wozu er die spitzen Reste eines Auerhahnknochens benutzte.
    »Gut«, sagte er, »wann brechen wir auf?«
    »Wir?«, fragte Yorsch verwundert.
    »Wir«, bestätigte der Drache gelassen.
    Das hatte Yorsch nicht erwartet. Das war das Letzte, was er erwartet hätte. Mit einem Drachen im Gefolge in die Menschenwelt gehen? Wie? Er war nicht gut... nun ja, »nicht gut vorzeigbar«, wandte er verlegen ein. »Du bist nicht so gut vorzeigbar. Du bist wunderschön anzusehen, ja, ich würde sagen großartig, aber ich muss unter den Menschen unbemerkt bleiben. Für sie ist es schon schlimm genug, dass ich ein Elf bin, und da sollte man ihr Misstrauen nicht auch noch durch den Schrecken vor einem Drachen schüren.« Er wollte nicht unhöflich sein. Er wollte den Drachen nicht kränken, er schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Jetzt kannst du fliegen, du kannst... wie hast du einmal gesagt? Ausschwärmen und das Universum erkunden und die Welt verbessern.«
    »Das Universum allein zu erkunden, macht keinen Spaß«, erwiderte Erbrow seelenruhig, »wir passen eben auf. Wir fliegen nachts und tagsüber halte ich mich in Gräben versteckt oder auf den Lichtungen größerer Wälder. Mach dir keine Sorgen, das schaffen wir schon, dass man mich nicht sieht. Wenn sie uns entdecken, fliegen wir hoch hinauf über die Wolken. Sowohl die Straße als auch die Treppe, die von der Bibliothek wegführen, sind verschüttet, erinnerst du dich nicht? Das haben wir von oben gesehen. Und dann bin ich ein Drache, schau. Und glaub mir, meine Anwesenheit in der Nähe wird die Zahl derer, die dich erstechen, aufhängen oder verletzen könnten, wirklich drastisch verringern.«
     
     
    In Daligar war auch die merkwürdige Prophezeiung, in der von ihm die Rede war.
    Das war der richtige Ort, um anzufangen.
    Die Prophezeiung war sein Schicksal, in Marmor gemeißelt, um ihm den Weg zu weisen.
    Er hatte weder Mutter noch Vater. Seine ganze Familie bestand aus einem Holzkreisel und der Erinnerung an Großmutter, die ihm sagte, er solle gehen und sich nicht

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