Der letzte Exfreund meines Lebens
Abend ist noch nicht vorbei.«
So hatte Kate ihn noch nie erlebt. Er wirkte fürchterlich gereizt, stapfte wie ein gefangener Tiger durch den Raum, und wahrscheinlich hätte Tina ihn in dieser Stimmung, ganz egal mit welchen Worten, auf dem falschen Fuß erwischt.
»Hm, kann ich dir irgendetwas bringen oder sonst was für dich tun?«, erkundigte sich Kate nervös. Gott, vor allem nach Tinas Seitenhieb bezüglich Tee und Mitgefühl klang diese Frage hoffnungslos banal.
»Nein danke.« Will schüttelte den Kopf, und Kate hatte das Gefühl, als würde er kaum wahrnehmen, dass sie im Zimmer war. Vielleicht sollte sie einfach wieder gehen, doch in diesem Zustand ließe sie ihn sicher besser nicht allein.
»Wann ist die Beerdigung?«, hakte sie sanft nach.
Will blieb stehen und starrte sie verwundert an. »Ich weiß es nicht.«
»Hast du denn noch nicht mit Antonia telefoniert?«
»Ich … habe mich noch nicht getraut, sie anzurufen«, gestand er niedergeschlagen. »Wahrscheinlich bin ich der Letzte, von dem sie jetzt was hören will.«
Angesichts seiner Verzweiflung kam sich Kate vollkommen unzulänglich vor.
»Vielleicht will sie nicht einmal, dass ich auf der Beerdigung erscheine«, fuhr er fort.
»Natürlich wird sie wollen, dass du kommst.«
»Ich könnte es ihr nicht verdenken, wenn sie mich nicht sehen will.« Wieder lief er unruhig auf und ab.
»Hast du schon mit Mum gesprochen?«
»Bisher war die Einzige, mit der ich gesprochen habe, Tina. Und du siehst ja, wie es ausgegangen ist«, rief er ihr mit Blick auf die zerstörte Vase in Erinnerung.
Plötzlich schien ihn die Kampflust zu verlassen, und er sank wieder auf sein Bett. »Ich hätte es nicht an Tina auslassen dürfen«, stieß er tonlos aus und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Schließlich hat sie nur gesagt, was wahrscheinlich jeder denkt.«
»Nein«, wisperte Kate voller Mitgefühl. »Wir denken nicht alle so.« In ihren Augen brannten Tränen, denn ihn derart unglücklich zu sehen war mehr, als sie ertrug.
Will bemerkte ihre feuchten Augen, und mit einem Mal gab irgendwas in seinem Inneren nach. Bisher hatte er vor allem heißen Zorn verspürt – auf die Journalisten, Tina und sich selbst sowie auf seinen Vater, dafür, dass ihm durch dessen plötzlichen Tod ein letztes Mal der Teppich unter den Füßen weggezogen worden war –, jetzt aber stieß er mit rauer Stimme aus: »Ich dachte … ich dachte, ich hätte noch Zeit! Ich dachte, ich hätte noch Zeit, um sauer auf ihn zu sein. Es sollte nicht für immer sein.«
»Ich weiß, ich weiß«, besänftigte sie ihn, setzte sich neben ihn aufs Bett, legte einen Arm um seine bebenden Schultern und wiegte ihn tröstend hin und her.
»Und jetzt ist es zu spät«, stieß er mit erstickter Stimme aus. »Er ist tot und wird niemals erfahren, dass …« Rüde wischte er sich die Tränen mit dem Handrücken aus dem Gesicht und fügte tonlos hinzu: »Er ist mit dem Gedanken gestorben, dass ich ihn gehasst habe.«
»Oh Gott, nein.« Sie nahm ihn noch fester in den Arm. »Er hat ganz sicher nicht gedacht, dass du ihn hasst«, erklärte sie und spürte die Nässe seiner Tränen, als er schluchzend seinen Kopf an ihrem Hals vergrub.
»Wie konnte ich so dumm sein?«, heulte er. »All die Male,
als ich mich geweigert habe, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln oder ihn zu sehen. Jetzt würde ich alles dafür geben, nur noch einmal mit ihm zusammen zu sein.«
»Ich weiß.« Kate strich ihm über das Haar, und er klammerte sich hilfesuchend an ihr fest. Sein heißer Atem rief ein angenehmes Kribbeln in ihr wach, das alles andere als angemessen war. Sie sollte ihn trösten, statt von der Situation auf wundervolle Art erregt zu sein.
»Ich bin sicher, er wusste, dass du ihn geliebt hast«, sagte sie.
»Woher hätte er das wissen sollen?«, fragte er, hob den Kopf, blickte sie an und blinzelte die Tränen fort.
Auch ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen, doch sie klärte ihn mit ruhiger Stimme auf: »Mum hat immer gewusst, dass du ihn liebst, nicht wahr? Selbst ich habe es gewusst. Er war dein Vater, Will. Und wenn wir schon wussten, was du fühlst, wusste er es sicher auch.«
»Glaubst du wirklich?«, hakte er in hoffnungsvollem Ton nach.
»Absolut.« Sie nickte und fügte, als ihr ein Gedanke kam, lächelnd hinzu: »Und außerdem hat Mum es ihm bestimmt erzählt.«
Bei diesem Satz hellte sich seine Miene auf, und schniefend meinte er: »Das hat sie bestimmt, nicht
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