Der letzte Exfreund meines Lebens
er nach der Trauerfeier zu ihnen zog. Sie hätte nicht freundlicher sein können, und auch der junge Paul war wirklich süß gewesen, hatte ihn unter seine Fittiche genommen, als wäre er der Ältere, nichts unversucht gelassen, um ihm das Gefühl zu geben, dass er bei ihnen zuhause war, und seine Erinnerungen an Philip bereitwillig mit ihm geteilt. Doch der allzeit hilfsbereite, nachsichtige Mann, den Paul ihm beschrieben hatte, war ein völlig anderer gewesen als der Vater, der Philip für ihn gewesen war, und egal wie angestrengt er sich die Fotos seines alten Herrn angesehen und versucht hatte, sich mit dem Menschen verbunden zu fühlen, hatte er doch immer einen Fremden angestarrt. Er hatte Antonias und Pauls verzweifeltes Verlustgefühl einfach nicht nachempfinden können und war sich in der Rolle des trauernden Sohnes wie ein Hochstapler vorgekommen.
Er war froh, dass er die Chance bekommen hatte, Paul kennenzulernen, seine Stiefmutter jedoch wirkte auf ihn entsetzlich unterkühlt und herrisch. Es störte ihn, dass sie zu denken schien, sie hätte einen Anspruch auf sein Mitgefühl, und machte ihn wütend, dass sie die gesamte Trauer
um den Toten für sich selber reklamierte, so als hätte nicht auch Paul einen Anspruch darauf, unglücklich zu sein – und auch wenn sie in den letzten Tagen durchaus nett und gastfreundlich gewesen war, konnte er trotzdem nicht vergessen, dass sie ihn nicht hatte in der Nähe haben wollen, als es damals darauf angekommen war. Er hatte nicht grausam oder unhöflich erscheinen wollen, doch er hatte schon nach kurzer Zeit die Geduld mit ihr verloren, sodass er wieder aufgebrochen war.
Vor allem musste er einfach zurück zu Kate. Er hatte wiederholt versucht, sie aus England anzurufen, allerdings war sie nie an den Apparat gegangen, weshalb er in ernster Sorge um sie war. Aber vielleicht war es so am besten – denn bestimmt wäre es einfacher, mit ihr zu sprechen, wenn er direkt vor ihr stand.
Auf dem Rückflug nach Italien warf die Stewardess ihm rüde eine Zeitung hin und bedachte ihn mit einem bösen Blick.
»Was ist denn mit der los?«, fragte er die ältere Irin, neben der er saß.
»Sie hätte Ihnen mit dem Ding eins überziehen sollen«, knurrte die und bedachte ihn mit einem kalten Blick unter einer drohend gerunzelten Stirn.
»Was?«, hakte Will verblüfft nach. Keine der beiden Frauen hatte er je zuvor gesehen.
»Sie sind wirklich ein widerlicher Kerl.« Damit vergrub die Frau die Nase abermals in ihrer Wow! .
Will schüttelte verständnislos den Kopf, doch um nicht erneut beschimpft zu werden, schwieg er für den Rest des Flugs. Er wollte dringender als je zuvor zurück in die Toskana, um herauszufinden, was in den vergangenen Tagen über ihn geschrieben worden war.
Als er am frühen Nachmittag das Haus betrat, war Louise in seinem Arbeitszimmer und sortierte dort die Post. »Hi!« Er ließ sich in den Sessel vor dem Schreibtisch fallen.
»Du bist wieder da!« Sie sah ihn lächelnd an. »Wie war’s?«
»Oh, du weißt schon.« Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Traurig. Schrecklich. Und Antonia möchte meine Freundin sein.«
»Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht gerade einfach ist«, stellte Louise mitfühlend fest.
»Sie ist sogar furchtbar anstrengend.« Will zog eine Grimasse. »Aber Paul ist wirklich nett.«
»Dein Bruder? Den würde ich gern mal kennenlernen.«
»Das wirst du auch. Weil er mich nämlich mal besuchen kommen will. Er ist ein Riesenfan der Band«, klärte er sie lächelnd auf.
Stille senkte sich über den Raum, und Will versank in Träumereien. Er war froh, wieder bei den Menschen zu sein, die ihn wirklich kannten, und genoss es, dass er einfach schweigend mit Louise zusammensitzen konnte, ohne dass es peinlich war.
Ein Gefühl völliger Ruhe breitete sich in ihm aus, und ihm kam der Gedanke, dass jetzt alles gut und richtig war. Er hatte seinen Frieden mit Philip geschlossen – ein wenig zu spät, aber trotzdem hatte er nicht länger das Bedürfnis, die Vergangenheit in irgendeiner Weise umzuschreiben, damit sie erträglich für ihn war. Er führte jetzt sein eigenes Leben, und das hatte er sich selber aufgebaut. Hatte eine Arbeit, ein Zuhause, eine Art Familie, und ob er nun wegen oder trotz des Vaters glücklich war, spielte endlich keine Rolle mehr.
Schließlich stand er wieder auf und ging zur Tür. »Wo ist übrigens Kate?«, fragte er in möglichst beiläufigem Ton.
Louise gab nicht sofort eine Antwort,
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