Der letzte Exfreund meines Lebens
»Carmen, dies ist meine Schwester Kate.«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Kate.« Carmen reichte
ihr die Hand, und Kate mochte sie sofort. Ihr direkter Blick und ihr warmes Lächeln nahmen einen auf der Stelle für sie ein.
»Ein tolles Kleid hast du da an«, sagte sie bewundernd. Carmen trug ein kurzes brombeerfarbenes Etuikleid, in dem ihre gebräunte Haut besonders vorteilhaft zur Geltung kam. Es hatte einen breiten Schlitzausschnitt, weshalb ihr immer eine Seite von der Schulter glitt, aber ansonsten schmiegte sich der Jersey weich an jede Rundung ihres gertenschlanken Körpers an. Zusammen mit den Espadrilles an ihren Füßen und den weichen dunklen Löckchen, die ihr locker auf die Schultern fielen, verlieh es ihr ein lässiges und zugleich glamouröses Flair, und im Vergleich zu ihr kam sich Kate mit ihrem übertriebenen Make-up, dem aufgetürmten Haar und dem grauenhaften Kleid wie eine Drag-Queen vor.
»Danke. Es war das Erste, was mir vorhin in die Hände fiel.«
»Das ist Kates Mitbewohner Freddie«, setzte Lorcan die Vorstellung fort. »Wir arbeiten manchmal zusammen.«
»Oh? Was macht ihr denn?«
Kate und Freddie zogen die Augenbrauen hoch. Entweder die beiden waren wirklich noch nicht lange zusammen, oder sie verloren keine Zeit mit unnötigem Geschwätz.
»Ich bin Regisseur«, antwortete Lorcan an Carmen gewandt und fügte einschränkend hinzu: »Am Theater.« Er war es gewohnt, dass Frauen eine Grimasse zogen, wenn sie hörten, dass er nicht beim Film beschäftigt war. »Und Freddie ist Kostümdesigner. Tatsächlich wollte ich dich schon seit ein paar Tagen anrufen«, erklärte er dem Freund. »Ich versuche, eine Tourneetruppe zusammenzustellen – du weißt schon, einen Trupp, der umherreist und dem ungebildeten Pöbel die Kultur ein bisschen näherbringt. Hättest du vielleicht Lust, uns zu begleiten?«
»Na, und ob!« Freddie war begeistert von der Vorstellung, im Gefolge von Kates attraktivem Bruder durch Irland zu ziehen.
»Und was machst du, Kate?«, wollte Carmen wissen.
»Ich bin Köchin, aber – uff!«, entfuhr es Kate, als von hinten jemand auf sie aufprallte. Sie drehte sich um und entdeckte ihren sechsjährigen Neffen Jake, der versuchte, sich aus ihrem Kleid zu kämpfen, in dem er wie in einem Fallschirm gefangen war. »Hi, Jake. Komm, lass mich dir helfen.« Sie befreite ihn.
»Jake! Sag Entschuldigung zu Kate – schließlich hättest du sie beinahe umgerannt«, befahl Helen, ihre Schwägerin, die hinter dem Jungen hergetrottet war.
»Keine Angst, Helen. Das hätte er ganz sicher nicht geschafft, dafür schleppe ich mit diesem Kleid viel zu viel Ballast mit mir herum!«
»Sorry, Kate«, keuchte das Kind. »Spiderman ist hinter mir her. Ich bin der Bösewicht.« Obwohl Kates Bruder Conor sich bemühte, ihn zu fangen, stürmte Jakes vierjähriger Bruder Sam mitten durch das Gedränge auf sie zu. Dabei machte die Menge eine Art La Ola, denn sämtliche Gäste hielten ihre Gläser über ihre Köpfe, damit er sie ihnen auf seiner Jagd nicht aus den Händen schlug.
»Tja, mein Ruf als Supermum ist wohl dahin!«, stellte Helen mit einem müden Lächeln fest. Inzwischen hatte die ehemalige Schauspielerin mit einer eigenen Fernsehserie über Erziehung und Haushaltsführung einen regelrechten Kultstatus als Superhausfrau und -mutter erreicht. Sie war groß, blond, ungeheuer attraktiv und verströmte mit ihrem wie poliert wirkenden, gut geschnittenen Bob und dem maßgeschneiderten austernfarbenen Kostüm, das ihre auch nach der Geburt der Kinder noch mädchenhaft schlanke Figur vorteilhaft zur Geltung brachte, mühelose Eleganz.
Dicht gefolgt von einem rotgesichtigen Conor kam der kleine Sam auf seinen kurzen Knubbelbeinchen angerannt.
»Sam!« Kate sah ihn grinsend an. »Du trägst ja dein Spiderman-Kostüm!«
»Er hat sich strikt geweigert, seine neuen Sachen anzuziehen«, bemerkte Jake mit der Überlegenheit des Älteren.
»Anders hätten wir ihn nicht aus dem Haus gekriegt«, meinte Helen und gab kichernd zu: »Rachel ist außer sich.«
»Huh! Ich würde gern mal sehen, wie sie ihn dazu bringt, was anzuziehen, was er nicht anziehen will.«
Sam und Jake machten sich wieder aus dem Staub.
»Hier wird nicht gerannt, ihr zwei!«, schrie Conor ihnen vergeblich hinterher und begrüßte Kate mit einem Kuss.
»Hi, Lorcan«, sagte er zu seinem Bruder. »Ich habe letzte Woche dein neues Stück gesehen – war der totale Mist!«, brüllte er gut gelaunt.
»Uh, danke,
Weitere Kostenlose Bücher