Der letzte Exfreund meines Lebens
pflichtbewusst den Schleier um das Gesicht der Schwester an. Rachel fuhr die ganz traditionelle Schiene: Sämtliche O’Neills hatten nicht nur beruflich, sondern auch privat einen ausgeprägten Sinn fürs Theatralische, und das hier war Rachels große Show.
Endlich waren sie bereit. Rachel nahm den Arm ihres Vaters, sie traten durch die Kirchentür, und der Organist begann mit dem Hochzeitsmarsch. Alle Gäste standen auf, einige von ihnen traten vor die Bänke, um Fotos von der wunderschönen Braut zu schießen, und unter Blitzlichtgewitter machten sie sich auf den langen Weg in Richtung des Altars.
So musste es sein, wenn man berühmt war, dachte Kate, die den Augenblick wider Erwarten tatsächlich genoss. Sie
begegnete Freddies Blick, als sie an ihm vorüberging, und sah ihn mit einem breiten Grinsen an. Er hatte einen Platz neben ihrer verrufenen Tante Iris in einer der mittleren Sitzreihen erwischt.
Auf halbem Weg den Gang hinab blieb Rachel plötzlich stehen. Kate hatte nicht aufgepasst und lief von hinten auf sie auf. »Dad, bleib stehen!«, zischte ihre Schwester unter ihrem Schleier. »Halt!«
»Tut mir leid, Schätzchen, bin ich zu schnell?« Jack verlangsamte sein Tempo, bewegte sich aber weiter in die Richtung, wo der Bräutigam mit den Trauzeugen stand.
Rachel rührte sich noch immer nicht wieder vom Fleck. »Bleib stehen, Dad.« Dann schob sie sich möglichst dicht an ihn heran und flüsterte ihm zu: »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht!«
»Ganz und gar nicht.« Ihr Vater lächelte nervös. »Keine Bange – Tom ist ein echt netter Kerl.« Er tätschelte Rachel aufmunternd die Hand und wollte sich wieder in Bewegung setzen, Rachel zerrte ihn allerdings zurück.
»Nein, Dad, stopp! Das ist total verkehrt!«
»Ist es nicht ein bisschen spät, um es sich noch mal zu überlegen?«, fragte Jack und schaute sich mit einem Lächeln der Verzweiflung um.
»Ich meine nicht, dass ich nicht mehr heiraten will«, stieß Rachel zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. »Ich meine, irgendetwas stimmt hier nicht. Sieh doch.« Sie zeigte in Richtung des Altars. »Das hier ist irgendeine Skinhead-Hochzeit. Wir sind auf dem falschen Fest!« Sie klang wie eine schlechte Bauchrednerin.
Jack blickte sich um. Sämtliche Gäste, die die Braut verwundert musterten, waren ihm vertraut, und er zwinkerte ein paar Bekannten zu. Trotzdem hatte Rachel recht: Vorne am Altar hatten sich drei Skinheads aufgebaut. Hatten
sie vielleicht alle in die falsche Kirche eingeladen? Oder zur falschen Zeit?
Auch Kate blickte in Richtung des Altars. »Himmel, du hast recht«, flüsterte sie. Wie hatte das passieren können?, wunderte sie sich. Und ausgerechnet Rachel – dieser vorbildlichen Braut!
»Natürlich habe ich recht«, schnauzte Rachel ihre Schwester an. »Ich gehe schließlich davon aus, dass ich meinen eigenen Verlobten noch erkenne. Was sollen wir jetzt machen?«
Während die drei verzweifelt überlegten, wie sich möglichst würdevoll der Rückzug antreten ließ, fingen die Hochzeitsgäste an zu raunen. Kate sah immer wieder über ihre Schulter, denn wahrscheinlich tauchte jeden Augenblick eine Braut in Springerstiefeln auf und mähte sie einfach um.
»O-oh, das ist wie in dem Film Die Braut, die sich nicht traut «, flüsterte Tante Iris Freddie zu, reckte zu seinem Entsetzen die geballte Faust und wisperte Rachel aufmunternde Worte zu, tatsächlich noch im letzten Augenblick das Weite zu suchen. Es war, als feuere sie ein Rennpferd, auf das sie beim Grand National gesetzt hatte, auf den letzten Metern an.
Vorne in der Kirche starrte Tom auf den Altar und wagte nicht, sich umzudrehen. Ich habe es gewusst, sagte er sich, ich hätte mich nie von Will und Lorcan dazu überreden lassen dürfen, diese Hochzeit durchzuziehen. Offensichtlich hatte Rachel sein fehlendes Haar gesehen und beschlossen abzuhauen.
Während der Organist entschlossen zum dritten Mal den Hochzeitsmarsch zum Besten gab, nahm er all seinen Mut zusammen und drehte sich um. Was er sah, war alles andere als ermutigend. Rachel, Kate und Jack hatten mitten
im Gang die Köpfe zusammengesteckt und schienen aufgeregt zu debattieren. Jack schien Rachel zur Vernunft zu bringen und sie überreden zu wollen, jetzt auch noch den letzten Schritt zu gehen und ihn zu heiraten, selbst wenn er ein Glatzkopf war, dachte Tom unglücklich.
Aber dann geschah ein Wunder.
Rachel erkannte ihn, und mit einem Mal hellte sich ihre Miene auf. »Es ist Tom!«,
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