Der letzte Exfreund meines Lebens
wie seine Familie.«
»Und wie sieht dein Vater das?«, hakte Brian nach.
»Keine Ahnung.«
»Will spricht nicht mehr mit ihm«, klärte Kate ihren Verlobten eilig auf.
»Was – nie?«
Brian beäugte Will wie ein Geier, der auf einen hinkenden Löwen gestoßen war – ohne Zweifel ging ihm dabei durch den Kopf, welche seiner Therapiegruppen die beste für ihn wäre, ging es Kate erbost durch den Kopf.
Will bedachte ihn mit einem kalten Blick. »Nie«, antwortete er und zog dabei herausfordernd die Augenbrauen hoch.
»Das ist bestimmt nicht leicht für dich.«
»Es ist sogar kinderleicht.«
Tatsächlich war es über Jahre hinweg alles andere als leicht für ihn gewesen, aber dank der eisernen Entschlossenheit, seinen Vater leiden zu lassen, hatte er es geschafft. In seinen jugendlichen Fantasien hatte er sich immer vorgestellt, dass Philip das ganze Ausmaß des an seinem Sohn begangenen Verbrechens irgendwann erkennen und vor lauter schlechtem Gewissen nicht mehr essen, schlafen, lieben, arbeiten können würde, weil sein erstgeborenes Kind derart von ihm verraten worden war. Irgendwann hatte er aufgehört zu hoffen, dass eine solche Rache wirklich möglich wäre, hatte seinen Vater aber trotzdem weiterhin mit Missachtung gestraft. Was der einzige echte Streitpunkt zwischen ihm und seiner »Blut ist dicker als Wasser« predigenden Ersatzfamilie war. Es war das Einzige an ihm, was sie alle missbilligten – Lorcan, sein allerbester Freund, die süße, weichherzige Kate und sogar Jack, der nachsichtigste Mensch der Welt. Und Grace redete ihn zum Zeichen ihrer Unzufriedenheit jedes Mal mit »William« an, wenn sie über seinen Vater sprach.
»Ich habe heute mit Philip gesprochen, William«, informierte sie ihn dann in vorwurfsvollem Ton und gab anschließend wörtlich das Gespräch mit seinem Vater wieder, was er stets mit ausdrucksloser Miene über sich ergehen ließ.
Tief in seinem Inneren jedoch fürchtete Will, dass es nicht in seiner Macht stand, seinen Vater dadurch leiden zu lassen, indem er ihm seine Zuneigung entzog. Was war seine Liebe schließlich wert? Sie hatte nicht gereicht, um seinen Vater dazu zu bewegen, dass er blieb. Und sie hatte offenbar auch seiner Mutter nicht gereicht, denn sonst hätte sie sich doch bestimmt nicht einfach umgebracht.
»Es gibt einen Typen nicht weit von hier, der den Leuten auf wunderbare Weise dabei hilft, Wunden aus der Vergangenheit
zu heilen«, meinte Brian daraufhin. »Er veranstaltet morgen einen Workshop, bei dem es um den Umgang mit unseren Ängsten geht. Klingt wirklich interessant.«
Was Will betraf, hätte der blöde Brian auch in einer fremden Sprache mit ihm reden können. Weil er kein Wort von seinem Psycho-Gefasel verstand.
»Er wendet dabei eine Mischung aus experimentellem Rollenspiel und dynamischer Körperarbeit an«, fuhr Brian arglos fort.
»Klingt total entsetzlich«, antwortete Will und sah aus den Augenwinkeln, dass Kate in leises Kichern ausgebrochen war.
Als die letzten Bestellungen aufgenommen wurden, kamen Tom und Rachel zu ihnen zurück, leerten ihre Gläser und wollten gerade gehen, als Josie angetrottet kam. »Ein paar Leute bleiben nach dem Abschließen noch hier«, verkündete sie mit blitzenden Augen. »Ihr wollt doch wohl nicht alle jetzt schon heim?«
»Oh doch. Mir fallen nämlich gleich die Augen zu.« Rachel riss den Mund zu einem Gähnen auf. »Liegt sicher an der ganzen frischen Luft.«
Josie wandte sich an Kate. »Aber du wirst doch noch ein bisschen bleiben, oder, Kate?«
»Tja, ich bin auch schon ganz schön müde«, fing Kate an.
»Bitte!«, bettelte das Kindermädchen. »Ich unterhalte mich gerade mit so einem Typen an der Bar und würde gerne noch kurz bleiben, aber nicht allein.«
»Mit wem denn?« Kate spähte angestrengt in Richtung Theke.
»Mit dem da.« Josie nickte in Richtung eines hünenhaften Afrikaners, der alle anderen überragte, aber trotzdem irgendwie
verloren aussah. »Er heißt Michael – das ist nicht sein richtiger Name, doch so nennt er sich hier. Er kommt aus Nigeria und fühlt sich furchtbar einsam.«
»Nun …« Kate sehnte sich nach ihrem Bett, brachte es allerdings nicht übers Herz, Josie ihre Bitte abzuschlagen. Und vor allem sah der arme Michael aus, als ob er nette Gesellschaft dringend nötig hätte, und sie hätte Schuldgefühle, wenn sie ihm Josie einfach wegnehmen würde.
»Los«, flehte Josie. »Er ist ein Flüchtling, und sie haben den armen Kerl hier am Arsch der
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