Der letzte Grieche
Widerstand des Untergrunds und den Toren und Winkeln, als gäbe es in der allgemeinen Ordnung, dergemäß sich Körper im Raum bewegten, etwas, zu dem er vorstoßen musste, ein Geheimnis, das größer war als andere. Wenn es im Keller nicht so dunkel gewesen wäre, könnten wir uns die Auswirkungen dieser Gedanken auf seine Wangen ausmalen. Mittlerweile hatte er das Gefühl-einer-neuen-Ewigkeit im Brustkorb lokalisiert. Dort sind zärtliche Gefühle ja traditionell beheimatet, kein Wunder also, dass er sich nun fragte, ob die Zeit aus Anfang oder Ende gemacht war. Jeder Tag enthält seinen Anteil an Mückenstichen, Verblüffung und gekochtem, in säuerliche Weinblätter eingewickeltem Reis, dachte er, Winzigkeiten in der Myriade Dinge, von denen mein Leben voll ist, ohne zu platzen. Aber die Zeit … Ich frage mich wirklich, woraus sie besteht. Wir müssen an dieser Stelle improvisieren, aber etwas in der Art könnte er durchaus gedacht und sich gefragt haben, ob das, was wir Zeit nennen, sich durch das bewegt, was wir Raum und Körper nennen, oder ob das, was wir Raum und Körper nennen, sich durch das bewegt, was wir Zeit nennen. Begann alles in jedem Moment noch einmal von vorn? Oder endete es ständig? Waren die Schläge, die Blau von einem Tor zum nächsten brachten, eine Serie von Anfängen, die so dicht aufeinander folgten, dass sie den Eindruck einer Fortsetzung hervorriefen? Oder waren sie im Gegenteil kurze Momente des Erlöschens, in denen die Zeit immer wieder starb? Wer, dachte Jannis, denken wir uns, vermag zu sagen, ob ein Augenblick ein Krocketieren oder ein Krakelieren ist?
Pféh . Unser Held war von dem berührt worden, was Frau Poulias das Schicksal genannt hatte. Es streckte seine lieblich duftende Hand aus, oder was immer es benutzte, um einen Menschen anzurühren, und folgte mit einem Finger der weinroten Falte. Es ist zu früh, aus dieser Geste Schlüsse zu ziehen, aber eins können wir schon jetzt festhalten. Auch wenn Jannis nicht zu sagen vermochte, ob die Zeit aus tick oder tock gemacht war, ahnte er doch etwas, was seine Lachgrübchen tiefer werden ließ: Sie zeichneten Muster.
SUPERBAU! Nach Mittsommer begannen mit lärmenden Transistorradios und enthusiastisch herausgeschüttelter Sonnenmilch die Industrieferien, aber nur eine Woche später war es mit der Herrlichkeit bereits wieder vorbei. Von da an regnete es ununterbrochen aus schweren Wolken, denen die Kraft zum Weiterziehen fehlte. Schon bald waren die Straßen voller kühlschrankweißer Wohnwagen und PKW s mit Fahrrädern und Koffern auf dem Dach. Alle wollten zu Campingplätzen mit besserem Wetter. Einzelne Traktoren und Lastwagen mit ausländischen tir-Schildern behinderten allerdings die Sicht. Hinter den Scheibenwischern bekamen die Reisenden immer schlechtere Laune. Die wachsende Gereiztheit ließ sich an Bremslichtern und versuchten Überholmanövern ablesen. In Ermangelung von Neuigkeiten zum Wetter berichtete der Rundfunk über die Tet-Offensive, den ungezwungenen Lebensstil der Jugend und die Folgen des Militärputsches in Griechenland, das ein Kommentator als das zweitärmste Land Europas bezeichnete. Trotz Hagelkörnern in der Größe von Golfbällen im westlichen Teil des Landes und Niederschlägen bis zu den Kniescheiben im östlichen sank die Zahl der Toten im Vergleich zum Vorjahr, in erster Linie dank effektiverer Verkehrsüberwachung. Niemand wagte sich auszumalen, wie es anlässlich der Umstellung von Links- auf Rechtsverkehr im September aussehen würde. Was die Griechen betraf, so redete sich der engagierte Moderator die Zahlen schön. »Letztes Jahr sind 30000 Hellenen eingewandert, das ist nicht mehr als eine Kleinstadt. Wir haben dieses Jahr doch sicher noch Platz für ein weiteres Kristianstad?«
Am ersten Montag im Juli bat der neue Generaldirektor der Staatlichen Gesundheitsbehörde das Personal, ihn zu duzen. Die Maßnahme stieß in breiten Schichten der Bevölkerung auf offene Ohren. Nach dem erfolgreichen Russell-Tribunal hatten viele Jugendliche beschlossen, den Demokratisierungsprozess zu beschleunigen, weshalb sich einige von ihnen zwischen den nassen Armeeparkas wiederfanden, die Geld für das Schwedische Komitee für Griechenlands Demokratie sammelten. Neun Monate später sank das Durchschnittsalter der Erstgebärenden auf dreiundzwanzig Jahre. Am Monatsende wurde kolportiert, ein neuer Film mit Anita Ekberg werde bald in die Kinos kommen, und am letzten Tag der Industrieferien – einem
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