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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Stirn zurück. Er schielte, er brummte zustimmend. »Das hast du schön gesagt.«
    Einige Stunden später justierte der Grieche den Sattel auf Antons Fahrrad und fuhr, die Knie ragten abwechselnd bis zur jeweiligen Achselhöhle, zur Badestelle. Die Kinder hatten ihn vor der Villa Natur gewarnt, aber es war leicht zu durchschauen gewesen, dass sie den Mr X des Dorfs noch nie besucht hatten. Im Übrigen fand er die Ähnlichkeiten mit dem Eisverkäufer seiner Kindheit frappierend. Es war sechs Uhr, als er die Klingel fand, die an einer Birke hinter dem Badehaus hing. Er drückte, es klackte, das Gartentor glitt auf, und er setzte seinen Weg auf einem feuchten Pfad fort. Hier und da lagen Bretter, um den Weg leichter begehbar zu machen. Nach etwa fünfzig Metern wurde der Erdboden wieder fest. Er gelangte zu einem weiteren Zaun, diesmal gezimmert. Dahinter öffnete sich ein Hof – hinter dem sich die Villa Natur von einem marmeladefarbenen Himmel abhob.
    Jannis schnappte nach Luft. Das Gebäude war zugleich Festung und Kartenhaus, Palast und Müllkippe. Das war etwas anderes als ein Badehaus. Oder eine Hafenpromenade. Die zwei Teile der Villa waren durch einen Steg verbunden und schienen plan- aber nicht gedankenlos errichtet worden zu sein – organisch und einfühlsam, sobald man wieder neues Material gefunden hatte. Mal schien das Haus in sich zusammenzufallen, mal schoss es in die Höhe. An zwei Stellen hatte man Gebäudeflügel und Türme um Bäume herum errichtet. Das Dach bestand aus Hartfaserplatten und Dachpappe, hier und da sah man Erker, die Wände waren rostrot mit kräftigen weißen Fugen. In den Fenstern des ersten und zweiten Stocks schimmerten derzeit – Moment – neunzehn Sonnen. Und auf dem Dach des größeren Gebäudes, auf einer Plattform mit einem Geländer aus Messingrohren, erblickte man ein Sternteleskop. Dort saß jetzt der Hausherr und trat auf einem Fahrrad ohne Räder so in die Pedale, dass seine ganze Schöpfung vibrierte. »Sieh da. Fremde.«
    Die Villa bebte weiter, bis Dreck-Janne herunterkam. Er zog eine Tür auf, worauf sie geradewegs in ein abgewracktes Wohnzimmer gelangten. In einer Ecke stand ein Eimer voller Stofffetzen, in einer anderen ein Kamin, aus dem Äste ragten. Die Decke war niedrig, die Fenster schief, die Wände aus Pappe. An manchen Stellen hatte der Bauherr mit Zeitungspapier tapeziert. Der Fußboden federte, als sie an einem Schlafzimmer vorbei und durch einen Korridor zu einem Salon gingen. Dreck-Janne zeigte auf ein durchgesessenes Sofa, er selbst setzte sich auf einen Stuhl unter einem Bild von König Oscar II . Auf dem Tisch neben ihm lag ein halb gegessenes Käsebrot. Der Gestank war so greifbar, dass Jannis annahm, er würde jeden Moment Beine bekommen. Instinktiv berührte er möglichst wenig. Die Villa Natur war das genaue Gegenteil von dem Haus, in dessen Keller er wohnte. Bei den Florinos war alles sauber und durchdacht, hier schien alles in Auflösung begriffen zu sein. O trelós lebte in einer Welt aus ausrangierten Dingen. Der Gast konnte sich keinen einzigen dieser Gegenstände im Hause seines Landsmanns vorstellen – nicht einmal das Nachschlagewerk auf dem Tisch oder das Porträt des schwedischen Königs. »Dem da«, sagte Dreck-Janne und nickte nachdenklich, »dem haben mein Bruder und ich mal zugeprostet. Mit Preiselbeersaft. Wir waren noch Buben. So groß.« Er zeigte die Höhe mit einer schmutzigen Hand an. »Das war vor Vaters Tod.«
    Der Besucher wusste zwar nicht, was »Buben« waren, riet aber richtig. Erneut dachte er an die Apokalypse. Stellen wir uns vor: Der Eisverkäufer hätte sich vermutlich als lieber Kerl erwiesen, wenn sich die pitsiríki des Dorfs wie Menschen und nicht wie Paviane benommen hätten. Als Jannis sich an die Schimpfworte erinnerte, wurde er traurig. Er betrachtete die Wälzer und den gesammelten Krimskrams. Könnte man nicht genauso gut sagen, dass sie davor bewahrt worden waren, verloren zu gehen? Zu Dreck-Janne gelangten die Dinge, wenn sie aus dem Dasein aussortiert wurden, hier trafen sie ein, um zu überleben. Aus Gründen, die er später nur schwer hätte erklären können, brachte ihn dieser Gedanke darauf, von Karamella zu erzählen. Einmal in Schwung gekommen, berichtete er auch noch von dem Badehaus, das er eigenhändig aus den Teilen eines Busses errichtet hatte. Er sprach über seine Schwierigkeiten mit dem Dach, den Leitungen und der Badewanne. Doch als alles an Ort und Stelle gewesen war, inklusive

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