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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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fügen wir schnell hinzu, dass er den König meinte –, »wenn dieser Clown einen Gegenputsch versucht, landet mein Bruder auf einer der Inseln.«
    Als Jannis erläuterte, wie er und die Geschwister Kezdoglou sich kennengelernt hatten, sah er, die Hände in den Achselhöhlen verstaut, nur Manolis an. Seine Unterarme mit den hervortretenden Adern waren eigentümlich unbehaart. Der Gürtel steckte im innersten Loch, die braune Gabardinehose war ohne Bügelfalten. Efi dachte, dass ihr Herz für immer aus warmem Gelee bestehen würde. Kostas suchte nach einer Prince Denmark, bekam von Lily eine Kent und lehnte sich zurück, neugierig darauf, was sein Freund erzählen würde. Beim Zuhören betrachtete er die breiten Schultern, das gekämmte Haar, die kräftigen Schenkel. Trotz des Größenunterschieds fiel es ihm nicht weiter schwer, den Jungen wiederzuerkennen, der neben ihm die Schulbank gedrückt hatte. Er war vergrößert, vergröbert, zum Mann geworden – das war alles. Vielleicht lag in den Bewegungen jetzt ein selbstverständlicheres Gewicht, und die Stimme hatte sich mit Unwetter und etwas anderem vermischt, aber seinen kindlichen Ernst hatte er nicht verloren. Kostas erinnerte sich an die umständliche Beschreibung, die der Klassenkamerad einst von seinem Heimatdorf gegeben hatte, als wäre es der Nabel der Welt, und die er nun dem gebildeten Landsmann gegenüber mit überraschender Selbstironie wiederholte. Tiere, Tabakpflanzen, Konservendosen – alles hatte er aufzugreifen versucht, während er in dem zugigen Klassenzimmer gestanden hatte, als begänne mit der Mittagspause der Jüngste Tag und als bliebe alles, was er vergaß, vor den Pforten zu einem Land zurück, in dem Ziegenmilch in den Straßengräben floss und die Häuser aus Honigkuchen waren. Kostas erstaunte diese Fähigkeit, sich von der Welt rühren zu lassen und zu ihr zu sprechen, Efi schmolz weiter dahin. »Und du hast den Poesiepreis in Neochóri gewonnen, nicht wahr? Fünf Mal? Sieben Mal? Ich frage ja nur.«
    »Viermal, Herr Florinos. Nur viermal.« Kezdoglou wand sich, Manolis bleckte die Zähne. Jannis erklärte, sein Freund werde sicher eines seiner Werke deklamieren, wenn man ihn darum bitte. Elegien in Dur, Studien zur Flugtechnik von Vögeln und den komplizierten Motorengeräuschen von Autos … Wovon in diesen Texten nicht alles die Rede gewesen war. Übrigens hatte Kostas jede Hausaufgabe auswendig gekonnt. Er las antike Texte, wusste alles über Kolokotronis und Rigas Feraios und war ein Experte darin, die Vergangenheit in Jahreszahlen, Namen und Ereignisse zu zerlegen. Genau wie Herr Nehemas es ihnen in der Schule beigebracht hatte. Aber das war auch nicht weiter verwunderlich. Immerhin war seine Großmutter eine von Clios Gehilfinnen und … Als Jannis das Erstaunen seines Gastgebers sah, erläuterte er, dass die Großmutter zu dem berühmten Club der Historikerinnen gehörte. Vielleicht würde der Herr Doktor selbst Gegenstand eines zukünftigen Artikels werden? Oder eines seiner Kinder? Das glaubte Florinos nicht und wandte sich an Kezdoglou. »Aber wie wäre es mit unserem Supergriechen hier?«
    »Wenn er will …« Man sah, dass Kostas ein anderes Gesprächsthema vorgezogen hätte. Verlegen angesichts der Dinge, die Jannis erzählt hatte, aber unfähig, ihn zu unterbrechen, wackelte er mit seinem Holzschuh. Der Freund bemerkte seine Qual und drückte seine Kniescheiben, als wollte er die Kraft in den Beinen prüfen. Anschließend erklärte er breit lächelnd: »Geht nicht! Erst muss ich den Erdball auf meinen Schultern tragen. Fräulein Gott zur wahren orthodoxen Kirche bekehren. So viele Tore schießen wie Ulf Sterner. Bis zur Badestelle und zurück schwimmen. Fünfhundert Rasen schneiden. Und dafür sorgen, dass Áno Potamiá Sanitärporzellan bekommt. Sie sehen, Herr Doktor, es wird einiges verlangt, ehe die Gehilfinnen Clios einen gutheißen.« Er wandte seine Lachgrübchen erst Efi, danach Lily und Manolis zu. »Nur richtige Helden werden in die Enzyklopädie aufgenommen. Ich bin schon zufrieden, wenn ich eine Ziege glücklich machen kann, und das reicht nicht. Das begreift ja wirklich jeder kolópedo .«
    »Was ist denn das?«, fragte Kostas, der genug von dem Thema hatte. Er zeigte auf die Tore im Gras. »Krocket.« »Was?« Kezdoglou lächelte abwehrend seiner Schwester zu, die ihre Hand auf seinen Arm gelegt hatte. »Krocket, natürlich!« Jannis stand auf. Nach den Partien des Sommers handhabte er den Schläger mit

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