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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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auf – aber da schrie sie: »Wenn du mich anrührst, gehe ich kaputt!« Danach sackte sie in sich zusammen.
    Draußen fielen große weiße Asteriske.
    Nach einer Weile sagte Efi, das Gesicht weiter dem Küchentisch zugewandt, sie sei verrückt gewesen. Heute verstehe sie sich selbst nicht mehr. Aber damals, zu Hause, habe sie mit Jannis nicht tun wollen, was sie sich doch mehr als alles andere gewünscht habe. Alle sagten, beim ersten Mal tue es weh. Wie würde es dann wohl für jemanden mit ihrem Becken sein? Schmerzen sollten nichts mit ihnen beiden zu tun haben. Als der Weinhändler sie im Pflegeheim besuchte, hatte sie ihm angesehen, dass er sich für sie interessierte, und daraufhin ihren Plan in die Tat umgesetzt. Begriff Jannis denn immer noch nicht? Sie hatte es nur so deichseln wollen, dass ihr erstes Mal nicht zugleich ihr letztes Mal sein würde. Er war immer noch der einzige Mann in ihrem Leben. Efi schluckte schwer. »Hasst du mich jetzt?« Ihre Augen wirkten wie feuchte Asche. Während Tränen auf den Laminatboden fielen, schluchzte sie: »Jetzt kannst du mit mir machen, was du willst. Wirklich alles, was du willst.«
    Endlich begriff Jannis. Dass er Bromölla verlassen musste.
    PELZBEKLEIDETE SONNE INMINIATURAUSGABE . Jeder Mensch erfindet die Liebe auf seine Weise, und wir haben keine Lust, Jannis’ Version in Frage zu stellen. Im Übrigen nehmen sich die Handlungen, die mit ihr einhergehen, in den Augen anderer immer ebenso selbstverständlich wie unvernünftig aus. Aber wir wissen, dass er im Zug nach Kristianstad am nächsten Morgen nicht mehr zu sagen vermochte, wann sie kommen würde, die Biene, von der er wusste, dass sie eines Tages die Innenseite seines Rückgrats hochkrabbeln und ihn kitzeln würde wie eine pelzbekleidete Sonne in Miniaturausgabe. Er jagte ihr nicht hinterher, denn wie konnte er so etwas jagen? Er wusste nur, dass sie kommen würde, er wusste es so sicher, wie er den Geschmack seiner eigenen Zunge kannte. Und wenn sie dann schließlich da war, würde er die drei Worte aussprechen. Anschließend würde das hellrote, sich schnell verdunkelnde, schon bald blaugraue Gewitter, das sich in seinem Körper staute, endlich einen Weg aus ihm heraus finden.
    EINE SPÄTERHIN HISTORISCHE PARTIE KROCKET . Im August kamen die Geschwister Kezdoglou zu Besuch. »Bezahlter Urlaub, Jannis!« Efi lachte traurig. Sie hatte den Gedanken aufgegeben, sich in Gegenwart des Freundes zu verstellen. »Du verpasst wirklich etwas.« Mit einem angedeuteten Knicks überreichte sie eine Platte mit selbst gemachten Baklava. Kostas verneigte sich und überreichte Blumen. Er rechnete damit, bis zum Winter das Abitur zu machen, und deutete über seinen gelockten Haaren eine unsichtbare Studentenmütze an. Lily trug die Platte zum See hinunter und entschuldigte sich, Manolis zeigte auf die Stühle, während er von der kürzlich erbauten Hafenpromenade erzählte. Anschließend wollte er alles über Kostas’ Zeit in Lambrakis’ Jugendorganisation wissen und ob er etwas von Papandreou gehört habe. Glaubte er, dass der inhaftierte Politiker in Stockholm unterrichten werde, wie er gerüchteweise gehört hatte? Doktor Florinos hatte es zwar abgelehnt, Ortsvorsitzender im Schwedischen Komitee für die Demokratie Griechenlands zu werden, aber falls Kostas Interesse hatte … Oder jemanden kannte, der welches haben könnte?
    Das Sonnenlicht lag wie eine Fettschicht auf dem Wasser. Am anderen Ufer blitzte etwas auf – vielleicht das Stanniolpapier um ein belegtes Brot. Enten glitten ins Schilf und durch das Schilf wieder hinaus, Insekten pulsierten im Schatten neben dem Schlitten. Im nächsten Moment kehrte Lily mit den Blumen in einer Vase, Tassen und Backwerk zurück – schwedischem und griechischem. Efis Baklava wurden unter der Frischhaltefolie weich. Der Gastgeber nahm sich ein Stück, das sich erst nicht vom Teller und dann nicht aus den Plomben lösen wollte. Der einzige Weg, es loszuwerden, bestand darin, sich ein weiteres Stück zu nehmen, was er auch tat. Während er die süße Masse bearbeitete, erzählte er von seinem Bruder in Piräus. Dieser war Offizier der Reserve und im Gegensatz zu Manolis nicht als Republikaner bekannt. Jetzt sollte er einberufen werden. Aber obwohl der Bruder Konstantin II . bewunderte und in umgebauten Hühnerkäfigen auf dem Dach seines Mietshauses Jagdhunde hielt, war er trotzdem kein Anhänger der Junta. »Wenn dieser Clown« – da die Gäste Florinos falsch verstanden,

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