Der letzte Grieche
Ich könnte auf die Kinder aufpassen und kochen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich weniger kosten würde als diese Gans. Kostas will sowieso umziehen, sobald er fertig ist. Er möchte richtig studieren. In Lund. Und ohne ihn habe ich keine Lust, in diesem Kaff zu bleiben. Das heißt, wenn du nicht zurückkommst … Du weißt, dass du immer bei uns wohnen kannst? Wir haben Platz. Warte, du kannst eigentlich gleich wieder einen Schlüssel bekommen. Ich hab ja noch deinen alten.«
Als ihr Freund weder auf ihre Worte noch auf die Hand reagierte, die sich in seine Jackentasche schob, verstummte Efi. Sie musste tapfer bleiben. Der Himmel war hellgrau mit lachsrosa und weiß gefärbten Striemen. Es begann zu nieseln, zunächst unmerklich, dann deutlicher. Sie strich ihre Haare unter den synthetischen Schal, schaute sich um, drehte sich mehrmals um die eigene Achse, geriet ins Taumeln und lachte. »Geht es so?« Aber was immer sie im Gesicht ihres Freunds suchen mochte, sie fand es nicht. »Jannis, jetzt sei doch nicht die ganze Zeit so ernst. Wir haben frei! Es regnet! Merkst du gar nicht, dass die Welt sich dreht?« Der konspirative Blick, den sie ihm zuwarf, war nicht echt, aber das einzige, was ihr noch blieb. »Weißt du was, ich frage mich, was diese Schweden am Wochenende treiben. Man sieht sie nie. Ich kann ja verstehen, dass sie in die Kirche gehen, aber warum verstecken sie sich die ganze restliche Zeit? So viel Sanitärporzellan gibt es nun auch nicht zu putzen, oder? Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie bei Hermods studieren. Nein, ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass sie nicht bei Hermods studieren.« Als ihr Freund immer noch nicht reagierte, zupfte sie ihn am Ärmel. »Du … Wenn es ein Problem gibt … Du weiß doch, dass du jederzeit mit Efi reden kannst?« Sie schluckte herunter, was immer ihr im Hals steckte. »Sieh mal, die Konditorei ist geöffnet. Komm!«
Der ehemalige Student der Universität Bromölla folgte der Gastarbeiterin, die mit der Hand auf dem Kopf zu Lundins hinein eilte. Er war traurig und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, vielleicht schämte er sich auch. Er hatte so lange von Efi geträumt und jetzt … In der Konditorei mit ihren Holzpaneelen und etwas Lauem in der Luft begutachtete er, kurzzeitig aufgetaut, das Sortiment hinter dem Glas. Seine Augen schweiften über Weizenkränze und Bisquits bis zu belegten Broten mit halbierten Fleischbällchen, geriffelten Scheiben Rote Beete und schlaffen Salatblättern. Als die Dame hinter der Verkaufstheke – Schürze, Lockenwickler, fleischige Arme – seinen Blick bei den Backwaren verharren sah, erkundigte sie sich: »Darf es ein Apfelsinen-Spezial sein? Oder vielleicht eine Prinzessinentorte? Feinstes Marzipan.« »Märzenpan?« »Ja, also das Grüne hier.« Sie zeigte darauf. Jannis schüttelte den Kopf. Er bat um »eine Sacher«. Die Frau lächelte nachsichtig – »Ich glaube, ich verstehe« – und deponierte eine cremige Schokoladentorte in einer Pappschachtel, deren Wände sie hochklappte und ineinander hakte, als hätte sie nie etwas anderes getan. Als sie wieder ins Freie traten, war der Regen stärker geworden. Jannis schützte die Schachtel mit seiner Jacke. Der Einkauf hatte ihm die Kraft zurückgegeben, die ihn bei dem Gedanken an Fernkurse und eine turbulente Vergangenheit (Liebe, Kartenspiel, alles kunterbunt durcheinander) verlassen hatte. Als sie die Treppen hochstiegen, verkündete er: »Ich möchte auch studieren.« »So, so, dann bin ich hier wohl die einzige, die findet, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt?« Efi knöpfte ihren neuen Mantel auf, den ihr Freund mit keinem Wort erwähnt hatte. Als sie kurz darauf die Teller auf den Tisch stellte, hatte sie sich die steifen Lippen nachgezogen. »Du musst aufpassen, Kostas. Bald werdet ihr zwei Griechen an der Universität sein.«
»Aha, dir reicht es also nicht, Gastarbeiter zu sein?« Ihr Bruder schüttelte eine neue Prince Denmark heraus. »Und was willst du pauken, wenn ich fragen darf?« Bewegung und Geometrie, dachte Jannis, während er beobachtete, wie sich der Rauch verflüchtigte. Bewegung und Geometrie waren vielleicht alles, was man benötigte. Er nickte zum Fenster hin, als läge die Antwort dahinter. »Sport, die Mechanik des Wassers, Geschichte … Die Auswahl ist groß. Ich weiß es noch nicht genau.« Seine Stimme verlor sich. »Aber ich denke, ich fange mit der Mechanik des Wassers an. Ja, und danach vielleicht Geschichte.« Wenn es uns in
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