Der letzte Grieche
markieren. So machte man es in Griechenland. Wer die meisten Eier fand, gewann einen Preis. Theo schlug mit den Stiefeln gegen den Stuhl, Anton vertiefte sich augenblicklich in die Zeichnung. Da keiner Zeit hatte, sich umzuziehen, waren die beiden Schatzsucher, die in der folgenden Stunde den Garten auf den Kopf stellten, nur mit Schlafanzug und Bademantel bekleidet. Der jüngere lief zwar plan-, aber nicht erfolglos von der Garagenauffahrt zum Werkzeugschuppen und danach zum Gemüsegarten. Binnen einer Viertelstunde hatte er fünf rote, hart gekochte Eier gefunden, deren Positionen auf der Karte markiert wurden. Der Ältere feierte weniger Erfolge, ging dafür aber gründlicher zu Werke. Als Erstes durchkämmte er das Gelände am See. Ein Ei lag unter der Sitzfläche des Schlittens, die Spitze eines anderen ragte aus einem Maulwurfhügel. Danach arbeitete er sich die Wiese hinauf zum Haus zurück. Er untersuchte den Komposthaufen, nahm sich den Werkzeugschuppen ein zweites Mal vor und kontrollierte darüber hinaus die Hecke zu Olléns. Keine Eier. Nirgendwo Eier. Schließlich wandte er sich der Vorderseite des Hauses zu. Fahnenmast, Apfelbaum, nasse Hollywoodschaukel. Und fand einen dritten Schatz in einem Blumentopf.
Nach einer Viertelstunde hatten die Jungen acht, nein, neun Eier eingesammelt. Der jüngere fand sein sechstes am Gartentor. Die Schätze wurden in einen Korb gelegt, den Lily hielt. Weitere Eier konnten die beiden jedoch nicht finden. Widerwillig setzten sie sich auf die Küchentreppe. »Bist du sicher, dass es zwölf sind, Jannis?« »Eins, zwei, drei, vier …« »Hör auf, Theo. Bist du sicher, dass es zwölf sind, habe ich gefragt?« »Fünf, sechs …« »Hör auf, habe ich gesagt! Es sind immer noch nur neun.« Der Grieche stand breitbeinig und glücklich mit einem Zweitagebart, die Hände in den Taschen, vor den Kindern. » Palikária mou , ihr nicht seid so phantastisch, wie ich gedacht habe. Warum Karte? Denkt Karte. Warum Karte?« Das Streichholz wippte im Mundwinkel.
Anton schien etwas begriffen zu haben, denn er riss seinem Bruder die Zeichnung aus der Hand. Ungeduldig studierte er die Fundorte. Es war nicht leicht, ein Muster zu erkennen, aber … Moment. Sicherheitshalber ergänzte er die fehlenden Kreuze – und als er die Figur sah, begriff er auf einmal, wo sich ein weiteres Ei befinden musste. Wortlos verschwand er hinter der Hausecke. Als er zurückkehrte, hielt er triumphierend den zehnten Schatz in den Händen. Jetzt stand es nur noch 6:4 für seinen Bruder. Mit etwas Glück war noch ein Unentschieden möglich. Als Anton den Fundort einzeichnete, begriff auch Theo, dass die Kostbarkeiten an Stellen versteckt waren, die zusammen ein Muster bildeten. »Was soll das darstellen?« »Du bist zu klein«, erklärte sein Bruder. »Hör auf«, sagte Theo. »Das ist ein Buchstabe, stimmt’s?« »Ein Buchstabe?«, bluffte Jannis. »Und ob«, sagte der Junge und fuhr fort: »Wenn das so ist, müssen die letzten Eier hier liegen.« Er zeigte auf das Herz der Figur, die wie ein griechisches Ф aussah. »Das geht doch nicht, oder?« Anton sah den Griechen ratlos an. »Wenn da die letzten Eier liegen, dann liegen sie doch im Haus. Aber du hast versprochen, dass sie nur im Freien liegen. »Manchmal außer Haus auch ist im Haus.« »Unsinn, ich bin doch nicht blöd.« »Ich weiß es, ich weiß es!«, schrie Theo und rannte los.
Es zeigte sich, dass die letzten Eier auf der Rückbank des Autos lagen. »Das ist Pfusch! Entweder drinnen oder draußen. Nicht beides.« Anton stöhnte auf, als er sah, wie sein Bruder den Preis über seinen Kopf hob: einen riesigen Brotlaib mit Vertiefungen für die Eier. Passend dazu vertieften sich auch die Grübchen auf Jannis’ Wangen. Er erkannte soeben, dass er etwas selbst für n. A. Ungewöhnliches erlebt hatte: zwölf Sonntage in einem. »Die ganze Welt besteht aus och , Anton.« Er legte den Arm um das Kind, das vor Wut immer noch kochte. »Vielleicht wir reden weiter über andere Buchstaben, nicht kyrillische?«
SANITÄRPORZELLAN . Am nächsten Sonntag, einem reinen und rosigen Sonntag ohne etwas anderes darin, löste Jannis eine Fahrkarte nach Bromölla. Die Geschwister Kezdoglou arbeiteten noch in den Ifö-Werken, die 1936 mit der Manufaktur von Toilettensitzen begonnen hatten und dreißig Jahre später zu Nordeuropas größtem Hersteller von Sanitärporzellan aufgestiegen waren. In den ersten Jahren wurden die Kalksteinvorkommen auf einer Insel im nahe
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