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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Grieche wissen, als er auf die federnden Holzbretter trat. In seinen Händen hielt er zwei orange Schwimmwesten. »Doktor Manolis, er sagt, ihr müsst vorsichtig sein.« »Aber ich kann schwimmen!« Der Ältere blinzelte so, dass die Lücke zwischen den Zähnen zum Vorschein kam. Er war bereits braun gebrannt. »Ich auch.« Der Jüngere zog eifrig, aber wenig überzeugend nickend an seiner Badehose.
    Nach einer interessanten Diskussion über die Frage, was die Vorder- beziehungsweise Rückseite war, zog Theo die Schwimmweste an. Anton wartete noch ab. Sein Bruder hatte kaum die Riemen festgezogen, als Jannis sich auch schon bedrohlich gab. »Ich bin gefährliches Element!« Er beugte sich vor wie ein Ringer, stieß olympische Laute aus und stampfte mit den Füßen auf. Krachend trat er durch das morsche Holz. Theo sprang ins Wasser – schreiend, weil seine Schwimmweste plötzlich ein unerwartetes Eigenleben führte. Sein Bruder warf die andere in den See und taumelte rückwärts. Der Athlet zog den Fuß aus dem Loch. Er blutete, ließ sich aber nichts anmerken. »Pass auf, ich gesagt. Ich bin gefährlich!« Sie fixierten einander, beide zeigten ihre Lachgrübchen. Dann scharrte der Grieche mit dem Fuß, senkte den Kopf und bewegte sich wie eine Kreuzung aus Stier und Krabbe weiter hinaus. Das hätte er nicht tun sollen. Der Junge machte einen Schritt zur Seite und plötzlich trat der Grieche ins Nichts – bevor er ins Wasser klatschte. Schreie, Lachen, Spritzer. Und eine Stimme: »Schnell! Her mit der Schwammjacke, palikarí !« »Schwimmweste, heißt das.«
    » Entáxi , Schwimmweste. Du jetzt hilfst mir an Land, ja!«
    STICH . Einige Tage später schloss Jannis einen Pakt: Für jedes neue Wort, das Anton ihn lehrte, würde er dem Kind ein griechisches beibringen. Die Vereinbarung hatte den Segen des Vaters, dem es trotz aller Bemühungen mit Stiften und Rezeptblöcken nicht gelungen war, seinen Söhnen mehr als ein paar rudimentäre Begriffe seiner Landessprache zu vermitteln. Möglicherweise rührten seine Schwierigkeiten daher, dass er an dienstfreien Wochenenden beim Aufwachen mit den Gedanken bestenfalls woanders war. Andererseits könnte es aber auch an den Lehrmitteln gelegen haben, die in seinen Augen reaktionär, um nicht zu sagen undemokratisch waren. »So reden nur Pfaffen und Feldwebel.« Jannis war die Rettung. Er mochte Probleme mit dem Alphabet haben, was ihn jedoch nicht daran hinderte, ein Idiom zu sprechen, das von ländlichem Ernst geprägt und frei von jenem Mischmasch aus Kirche und Kasernenhof war, das laut Doktor Florinos die Lehrmittel kennzeichnete, die er bei Gleerups in Lund besorgt hatte.
    Das erste Wort, das Jannis nach »Schwimmweste« lernte, war »Schlawiner«, was mit alítis quittiert wurde. Die Worte waren keine direkten Übersetzungen, standen sich jedoch nahe genug, um in ähnlichen Zusammenhängen benutzt zu werden – zum Beispiel, wenn man kolitsína auf der Veranda spielte, während das Kindermädchen, das Hilfe beim Strecken der Wäsche benötigte, an die rissige Wand gelehnt auf das Ende der Partie wartete. ( Kolitsína wurde übrigens mit »krakelieren« vergolten. Hier tendierte die Schnittmenge gegen Null.)
    »Du Schlawiner, ich weiß dass du die beste Zehn auf der Hand hast.«
    »Spiel, palikári mou , spiel.«
    »Na schön. König.«
    »Jannis …«
    »Moment, Agneta. Ein Grieche, er muss denken. Sieben!«
    »Ha ha. Die beste Zehn schnappt sich die Sieben und die Drei.«
    »Ton alíti …«
    TAUZIEHEN . Eine Viertelstunde später stand das Kindermädchen mit dem Griechen, der fertig gedacht hatte, im Garten. Lachend hielt jeder von ihnen ein Ende des Lakens, das sie hoch fliegen ließen und wieder herabzogen. In der einen Sekunde bildete sich eine Kuppel, in der nächsten ein Bassin. Anton saß darunter und spürte die rhythmische Luft seltsame Dinge mit seinen Haaren anstellen. Es roch abwechselnd nach Gras und Persil. »So ist es gut«, verkündete Agneta nach einer Weile. Das muss reichen.« Sie raffte das Kopfende zusammen. »Und jetzt machst du es so. Genau. Und dann – so!« Plötzlich zog sie ruckartig, und zwar so fest und unerwartet, dass Jannis nach vorn stolperte. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, pfiff er bewundernd durch die Zähne, schob anschließend einen Fuß nach hinten und zog ebenfalls. Als sich das Betttuch hin und her schob, hörte Anton es knarren. Keiner schien nachgeben zu wollen. Erst machte Agneta einen Schritt auf Jannis zu,

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