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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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dauerte länger und vollzog sich ungleich kunstvoller.
    Kunstvoll – das Wort stammte von Bündel. Sie hatte eifrig Anweisungen gegeben – und auf der Anwendung von kaltem Wasser bestanden –, und die Gräfin hatte sofort reagiert, eine weiße Hand verwirrt auf die Stirn gelegt und schwach etwas gemurmelt.
    An diesem Punkt stürzte Bill herein, der pflichtgemäß telefoniert und einen Arzt gerufen hatte. In Bündels Augen benahm er sich sofort ganz idiotisch. Mit angstvollem und besorgtem Gesicht beugte er sich über die Gräfin und überschüttete sie mit einer Flut äußerst dümmlicher Bemerkungen. «Gräfin, es ist alles halb so schlimm! Wirklich! Versuchen Sie nicht zu sprechen! Das wäre schlecht für Sie. Bleiben Sie schön ruhig liegen. Sie werden gleich wieder in Ordnung sein. Sagen Sie kein Wort, bis Sie sich besser fühlen! Lassen Sie sich Zeit! Bleiben Sie schön liegen und schließen Sie die Augen! In ein paar Minuten wird Ihnen alles wieder einfallen. Trinken Sie einen Schluck Wasser. Und etwas Kognak. Das brauchen Sie jetzt. Glaubst du nicht, Bündel, dass du ein bisschen Kognak…»
    «Um Gottes willen, Bill, lass sie doch in Ruhe!», unterbrach Bündel ihn wütend. «Es wird ihr gleich besser gehen.» Und mit geübter Hand spritzte sie noch etwas kaltes Wasser auf das exquisite Make-up der Gräfin.
    Die Gräfin zuckte zusammen und setzte sich auf. Sie wirkte entschieden wacher. «Oh!», hauchte sie. «Hier bin ich! Hier bin ich!»
    «Lassen Sie sich Zeit», beschwor Bill sie. «Reden Sie nicht, bevor Sie sich nicht ganz in Ordnung fühlen.»
    Die Gräfin zog die Falten ihres sehr durchsichtigen Negligees enger um sich. «Es fällt mir wieder ein», murmelte sie. «Ja, es fällt mir wieder ein.» Sie betrachtete die kleine Gruppe, die sich um sie versammelt hatte. Anscheinend berührte sie irgendetwas in den aufmerksamen Blicken unangenehm. Aber wie dem auch sei, sie lächelte nur ein Gesicht an, das genau die gegenteiligen Gefühle verriet. «Ah, mein großer Engländer», flüsterte sie, «keine Angst. Es ist alles in Ordnung!»
    «Wirklich?», fragte Bill besorgt.
    «Wirklich. Wir Ungarn haben Nerven wie Drahtseile.»
    Ungeheure Erleichterung zeichnete sich kurz auf Bills Gesicht ab. Dann machte sich ein derart alberner Ausdruck dort breit, dass Bündel ihm am liebsten einen Tritt versetzt hätte.
    «Noch etwas Wasser?», fragte Bündel kühl.
    Die Gräfin wollte kein Wasser mehr. Jimmy, der gegenüber einer Schönen in Not freundlicher war, schlug einen Cocktail vor. Auf diesen Vorschlag reagierte die Gräfin mit großer Begeisterung. Als sie ihn getrunken hatte, sah sie sich noch einmal um, diesmal lebhafter. «Erzählen Sie mir, was passiert ist», bat sie hastig.
    «Wir hofften, dass Sie uns da helfen könnten», meinte Superintendent Battle.
    Die Gräfin sah ihn scharf an. Sie schien den großen, ruhigen Mann zum ersten Mal richtig zu bemerken.
    «Ich lief in Ihr Zimmer», warf Bündel ein. «Das Bett war unbenutzt, Sie waren nicht da!» Sie schwieg und sah die Gräfin vorwurfsvoll an.
    Die Gräfin schloss die Augen und nickte langsam. «Ja, ja, jetzt fällt mir alles wieder ein! Oh, wie entsetzlich!» Sie schauderte. «Soll ich es Ihnen erzählen?»
    «Bitte», forderte Superintendent Battle sie auf, und im selben Moment sagte Bill: «Nicht, wenn Sie nicht mögen.»
    Die Gräfin sah von einem zu anderen, aber Superintendent Battles ruhiger, gebieterischer Blick siegte. «Ich konnte nicht schlafen», begann sie. «Das Haus – es bedrückte mich so. Es herrschte eine so gespannte Stimmung. In der Verfassung, in der ich mich befand, hatte es keinen Sinn, ins Bett zu gehen. Ich lief in meinem Zimmer auf und ab. Ich las. Aber die Bücher, die ich fand, interessierten mich nicht besonders. Ich dachte, dass ich hier unten eine fesselndere Lektüre finden würde.»
    «Sehr verständlich», warf Bill ein.
    «So etwas passiert häufig», bemerkte Battle.
    «Als mir der Gedanke kam, verließ ich mein Zimmer und ging nach unten. Im Haus war es sehr still…»
    «Entschuldigen Sie», unterbrach der Superintendent, «aber können Sie mir sagen, wann das ungefähr war?»
    «Ich weiß nie, wie spät es ist», antwortete die Gräfin hoheitsvoll. «Im Haus war es sehr still. Ich lief die Treppe hinunter… ganz leise…»
    «Ganz leise?»
    «Natürlich. Ich wollte niemanden wecken. Ich betrat die Bibliothek, ging in diese Ecke und suchte nach einem passenden Buch.»
    «Sie hatten Licht gemacht?»
    «Nein.

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