Der letzte Joker
dass nämlich die Diebstähle von jemandem begangen worden sein mussten, der sehr gut Bescheid wusste; der, wenn er nicht selbst im Auswärtigen Amt arbeitete, zumindest allen Klatsch hörte. Woher hatte Mr Thesiger sein Geld? Das Vermögen, das sein Vater ihm hinterließ, war klein, trotzdem lebte er auf großem Fuß.
Ich wusste, dass Mr Wade über eine gemachte Entdeckung sehr aufgeregt war und überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Er vertraute niemandem an, welche Spur er verfolgte, aber er erwähnte gegenüber Mr Devereux, dass er kurz vor der Lösung sei. Das war, bevor beide an jenem Wochenende nach Chimneys fuhren. Wie Sie wissen, starb Mr Wade dort – allem Anschein nach an einer Überdosis Schlaftabletten. Das schien schlüssig, aber Mr Devereux akzeptierte diese Erklärung keinen Augenblick, sondern war überzeugt, dass Mr Wade sehr geschickt beseitigt worden und der Täter unter den Leuten im Haus zu suchen sei. Soviel ich weiß, hätte er sich Mr Thesiger fast anvertraut. Damals verdächtigte er ihn sicher noch nicht. Doch irgendetwas hielt ihn zurück.
Dann tat Devereux etwas sehr Merkwürdiges. Er stellte sieben Wecker auf den Kaminsims, den achten warf er aus dem Fenster. Die Wecker waren das Symbol, dass die Sieben Zifferblätter den Tod eines Mitglieds rächen würden. – Danach beobachtete er, ob irgendjemand sich verriet oder Bestürzung zeigte.»
«Dann hat Jimmy Thesiger Gerry Wade vergiftet?»
«Ja, er schmuggelte das Zeug in einen Whisky, den Mr Wade kurz vor dem Schlafengehen unten trank. Deswegen fühlte er sich schon schläfrig, als er den Brief an seine Schwester schrieb.»
«Bauer, der Diener, hat also gar nichts damit zu tun?», fragte Bündel.
«Bauer war einer unserer Leute, Lady Eileen. Wir hielten es für wahrscheinlich, dass unser Mann sich für Herrn Eberhards Pläne interessieren würde, deswegen brachten wir Bauer in Chimneys unter. Er sollte seine Augen offen halten. Aber er konnte nicht viel tun. Wie ich schon sagte, es war nicht schwierig für Mr Thesiger, die tödliche Dosis in den Whisky zu schütten. Später, als alles schlief, stellte Mr Thesiger ein leeres Medizinfläschchen und ein Glas neben Mr Wades Bett. Da war Mr Wade schon bewusstlos. Vermutlich presste Thesiger dessen Finger um die Flasche und das Glas, falls irgendwelche Fragen auftauchen sollten. Welche Wirkung die sieben auf dem Kaminsims aufgereihten Wecker auf Mr Thesiger hatten, weiß ich nicht. Er ließ sich Mr Devereux gegenüber nichts anmerken. Trotzdem glaube ich, dass er hin und wieder ein paar unangenehme Augenblicke hatte, wenn er an sie dachte. Und ich vermute, dass er danach Mr Devereux scharf im Auge behielt.
Was als Nächstes passierte, wissen wir nicht ganz genau. Nach Mr Wades Tod sah man Mr Devereux nicht mehr viel. Aber es ist ganz offensichtlich, dass er in der gleichen Richtung weiterarbeitete, die Mr Wade schon eingeschlagen hatte. Er kam zum selben Ergebnis: dass Mr Thesiger unser Mann sei. Ich nehme an, dass er auf die gleiche Art und Weise verraten wurde.»
«Wie meinen Sie das?»
«Durch Miss Loraine Wade. Mr Wade war ihr sehr ergeben und wollte sie sogar heiraten – sie war ja nicht seine leibliche Schwester. Es besteht kein Zweifel, dass er ihr mehr erzählte als gut tat. Doch Miss Loraine war mit Haut und Haaren Mr Thesiger verfallen. Sie tat, was immer er verlangte. Sie gab jede Information an ihn weiter. Später fühlte sich Mr Devereux in gleicher Weise zu ihr hingezogen und warnte sie vermutlich vor Mr Thesiger. Deshalb musste auch Mr Devereux zum Schweigen gebracht werden – und er versuchte noch im Sterben, den Seven Dials mitzuteilen, dass sein Mörder Jimmy Thesiger sei.»
«Wie entsetzlich!», rief Bündel. «Wenn ich das geahnt hätte!»
«Nun, es erschien ja auch so unwahrscheinlich. Ich konnte es zunächst selbst nicht glauben. Aber dann passierte die Geschichte auf Lomax’ Landsitz, Wyvern Abbey. Sie werden sich erinnern, wie schwierig es war – vor allem für Mr Eversleigh. Sie und Mr Thesiger waren ein Herz und eine Seele. Sie, Lady Eileen, hatten Mr Eversleigh schon in Verlegenheit gebracht, als Sie darauf bestanden, den Seven Dials Club zu besuchen. Als er dann noch erfuhr, dass Sie heimlich hier gewesen und unsere Gespräche belauscht hatten, da war er völlig sprachlos.»
Der Superintendent machte eine Pause, und ein Lächeln stahl sich in seine Augen. «Das war ich übrigens auch, Lady Eileen. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich
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