Der letzte Krieger: Roman
durch den lichten, weglosen Wald, der die Hügel ihrer Heimat bedeckte. Jetzt weiß ich auch, warum sie mich geheilt hat. Schon ohne ernsthafte Verletzungen hatte er Mühe genug, mit ihren flinken Pferden Schritt zu halten. Während er das mit Vorräten und Tauschwaren beladene Muli hinter sich herzerrte, lenkten sie ihre Tiere sogar ohne Sattel und Zaumzeug. Bestimmt war wieder Magie im Spiel. Aber lieber hätte er sich auf die Zunge gebissen, als sich über die Hast zu beschweren. Auf der Flucht vor den Drachen und ihren verfluchten Dienern hatte er schließlich ganz andere Strapazen überlebt. Stattdessen setzte er ein grimmiges Lächeln auf, wann immer sich Davaron zu ihm umdrehte. Was der Elf zweifellos nur tat, um sich zu vergewissern, dass ihr »Gast« ihnen noch folgte. Elanya hingegen sah kein einziges Mal über die Schulter.
Athanor lief weiter. Immer höher stieg die Sonne und löste den Morgennebel auf. Selbst unter den Bäumen wurde es bald so warm, dass Athanor Schweiß von der Stirn rann. Anhöhe für Anhöhe eilte er hinauf und hinunter. In jede Richtung erstreckten sich die Hügel bis zum Horizont. Den kurzen Schatten nach zu urteilen, musste es längst Mittag sein, doch die Elfen zeigten keine Anzeichen von Ermüdung. Unbeirrt folgten sie ihrem unsichtbaren Pfad.
Soll das den ganzen Tag so weitergehen? Athanors Magen ballte sich zusammen wie eine Faust, und seine Kehle war staubtrocken. Seit der kurzen Rast bei Sonnenaufgang hatte er nichts mehr getrunken. Zum Essen war gar nicht erst Zeit geblieben, denn die Elfen waren weitergeritten, sobald sie die Pferde getränkt und selbst ein paar Schlucke aus dem klaren Bach genommen hatten. Wozu die Schinderei, wenn ihnen kein Feind auf den Fersen war? Macht, was ihr wollt. Ich werde jetzt essen.
Er blieb stehen, und sofort stürzte sich das Muli so ausgehungert auf die nächsten Grashalme, dass es ihm fast den Strick aus der Hand riss. Knurrend warf er den Rest des Seils nach dem Tier, doch es zuckte nicht einmal mit den langen Ohren. Kopfschüttelnd öffnete er eine der Taschen am Packsattel und zog zwei Lederbänder und ein Stück Dachsfell daraus hervor. Stur wie ein Maulesel. Dasselbe dachte der Elf vermutlich von ihm. Doch der Kerl würde sich nicht damit begnügen, etwas Harmloses nach ihm zu werfen. Sorgfältig wickelte Athanor das Fell um seinen Schwertgriff und band es mit den Riemen fest. Brachte der Mistkerl die Waffe erneut zum Glühen, würde ihm das Polster ein paar Hiebe erkaufen, bevor die Hitze hindurchdrang.
Er prüfte, ob die Klinge locker genug in der Scheide saß, und setzte sich zufrieden auf den mit Moos und altem Laub bedeckten Boden. Das Land der Elfen. Zahllose Legenden rankten sich darum, Geschichten von Zauberei und Gefahr. Nun würde er erfahren, wie viel Wahrheit in ihnen steckte. Na und? Es gab niemanden mehr, dem er davon erzählen konnte. Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Wasserschlauch und wünschte, es wäre Wein.
Im Wald war es so still, dass Athanor das Trommeln der Pferdehufe schon von Weitem hörte. Das Trockenfleisch würde also noch einen Moment in seinem Beutel warten müssen. Er hatte nicht vor, es in den Dreck fallen zu lassen, nur weil ihn ein übellauniger Elf angriff. Doch es war Elanya, die auf ihrer eigenen Spur zurückgaloppierte. Das fuchsrote Pferd verriet sie, lange bevor er ihr Gesicht erkennen konnte.
Wo steckte Davaron? Athanor lauschte, ohne den Blick von der Elfe zu lösen, deren Pferd zwei Speerlängen vor ihm anhielt. Ihre glatten Züge verrieten kein Gefühl, aber in ihren Augen glaubte er Ärger und Unverständnis zu sehen.
»Warum sitzt du hier? Bist du zusammengebrochen?«
Gerade als er den Mund zu einer Antwort öffnen wollte, drang von hinten Hufschlag an sein Ohr. Das Pferd preschte so schnell heran, dass er bereits das Zittern des Bodens spürte. Athanor sprang auf, wirbelte herum und riss in der Drehung das Schwert heraus. In einer Woge raschelnden Laubs kam Davarons Hengst zum Stehen, die Nüstern nur eine Handbreit von Athanors Schwertspitze entfernt. Mit blanker Klinge in der Hand starrte Davaron finster von seinem Ross herab.
»Damit wir uns nicht missverstehen«, sagte Athanor. »Ich verschwende meine Zeit nicht damit, gegen Reiter zu kämpfen. Ich töte das Pferd. Und dann töte ich den Mann, der darunter eingeklemmt liegt.«
»Von einem Menschen habe ich nichts anderes erwartet«, gab der Elf kalt zurück. »Töten ist alles, was ihr könnt.«
Es lag so viel Wahrheit
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