Der letzte Krieger: Roman
Aufwallen ihrer Magie. Sie beherrschte nur wenige Zauber, und keinen herausragend gut, doch dieser war ihr stets leichtgefallen. Wie man ohne einen brennbaren Stoff Feuer erzeugte, blieb ihr dagegen ein Rätsel, obwohl ihre Mutter eine Meisterin darin war.
Neugierig betrat sie den Gang. Von Zeit zu Zeit sah sie zur Decke empor, doch nach wenigen Schritten gab es keine Risse mehr. Die schwüle Hitze blieb rasch zurück. Über Stufen ging es tiefer in den Berg. Die Luft wurde abgestandener, atmete sich schwerer. Oder lag es nur an der leichten Beklommenheit, die sie allmählich spürte? Gehörte es dazu? Sie wusste es nicht. Nie zuvor hatte sie eine Höhle betreten.
Bald stieß sie auf eine Kreuzung und entschied sich, geradeaus weiterzugehen. Wieder führten Treppen in die Tiefe. Außer ihren Schritten und dem leisen Knistern der Fackel hörte sie nichts. Immer öfter zweigten Gänge oder Türen ab. Wenn sie nicht stur geradeaus ging, würde sie sich hoffnungslos verlaufen. Sie warf nur einen Blick in die Räume, manche leer, manche mit aufgereihten Bahren gefüllt. Doch sie entdeckte nur wenige Leichen, obwohl getrocknete Blumen und fleckige Lager darauf hindeuteten, dass hier mehr Tote bestattet worden waren. Wo waren die Leichname jetzt? Lagen sie alle in den Straßen?
Es kam Siryana vor, als sei sie bereits bis unter den Hügel hinabgestiegen, auf dem sich Theroia erhob. Sie war so vielen Treppenwindungen gefolgt, dass sie nicht mehr wusste, in welche Richtung sie nun ging. Mit einem Mal endete der Gang vor einer geschlossenen Tür. Das Holz war alt und mit Bronze beschlagen, die jeglichen Glanz verloren hatte. Es gab kein Schloss, keinen Riegel, nur einen Bronzegriff.
Siryana hielt ihren Kopf nah an die Tür und lauschte. Nichts. Vorsichtig zog sie an dem Griff, öffnete einen Spalt und erstarrte, als die Angeln quietschten. Mit angehaltenem Atem horchte sie erneut, doch noch immer blieb es jenseits der Tür still. Was soll dort auch sein? Außer noch mehr herumliegenden Toten.
Verärgert über sich selbst riss sie die Tür auf und trat über die Schwelle. Dahinter erahnte sie einen hohen Saal mehr, als dass sie ihn sehen konnte. Pfeiler lenkten ihren Blick zur Decke, die sich hoch über ihr im Halbdunkel wölbte. So weit der Fackelschein reichte, entdeckte sie weitere Türen und Durchgänge, die in den Saal führten. Die Luft roch hier frischer. Vielleicht gab es verborgene Schächte. An den Wänden hingen Banner aus kostbaren Stoffen, viele mit goldenen und silbernen Fäden bestickt. Doch die Farben waren verblasst, und der einstige Glanz lag unter Staub verborgen.
Siryana schritt tiefer in die Halle. Der Raum war rund. Vielleicht stellte er das Herz der Grabstätten dar, doch Totenbahren gab es hier nicht. Nur in der Mitte erhob sich etwas – ein Podest? Ein Altar? Sie ging darauf zu und versuchte, sich vorzustellen, was die Menschen hier getan hatten. Es hieß, dass sie ihren Verstorbenen zu Ehren große Feste abhielten. Hatten sie hier gefeiert?
Was … Siryana merkte auf. Ein Geräusch. Wie ein fernes Rauschen. Oder doch eher ein Schaben? Woher kam es? Der Hall im Saal verwirrte sie. Es wurde lauter, kam näher. Fast war sie sicher, dass es aus der Richtung kam, aus der auch sie den Saal betreten hatte. Doch sobald sie sich bewegte, zweifelte sie wieder. Waren es Schritte? Ihr Herz pochte gegen ihre Rippen, als sei sie gerannt. Reiß dich zusammen, Siryana! Du bist Grenzwächterin. Du hast Orks getrotzt und Rokkur vom Himmel geschossen. Doch womit hatte sie es hier zu tun? Gab es doch noch Menschen?
Als lege sie eine Faust um die Flammen, löschte sie mit ihrer Magie die Fackel und kauerte sich hinter den Altar. Den kalten steinernen Tisch zu berühren war ihre einzige Orientierung in der plötzlichen Finsternis. Sie sah sich um, lugte über ihr Versteck. Nirgends konnte sie auch nur den kleinsten Lichtschimmer in der Schwärze entdecken. Und doch kam das Geräusch immer näher, schwoll zu einer Woge aus Scharren und Schlurfen und Knirschen an, die von allen Seiten auf sie zubrandete.
Siryana umklammerte Schwert und Fackel. Furcht griff nach ihrer Kehle und drückte zu. Sie schluckte dagegen an, schob sich rückwärts um den Altar, ohne dem Geräusch entfliehen zu können. Was auch immer sich ihr näherte, brauchte kein Licht, aber sie, wenn sie sich wehren wollte. Mühelos sprang sie auf den steinernen Tisch. Wenn ihr Gegner im Dunkeln sah, hatte er sie ohnehin längst entdeckt. Hastig ließ sie
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