Der letzte Krieger: Roman
halben Mond zum ersten Mal getroffen.«
»Er gehört zu unserem Posten in Beleam. Warum wolltest du, dass ich ihn vom Dienst dort freistelle und zu uns hole?«, erkundigte sich Retheon mit undeutbarer Miene.
Worauf wollte er hinaus? Wenn er am Sinn dieser Maßnahme zweifelte, hätte er ihr Ansinnen doch gleich ablehnen können. »Weil ich ihn für vielversprechend halte«, verteidigte sie sich. »Er könnte ein so guter Grenzwächter wie Valarin werden, wenn er von uns lernen kann, anstatt allein herumzufliegen.«
»Das heißt, du vertraust ihm. Er hat sich nie seltsam oder verdächtig benommen.« Der Kommandant ließ den Satz in der Luft hängen.
»Nein. Ich wüsste nicht, worauf Ihr Euch beziehen könntet.«
Retheon ging nicht auf die unausgesprochene Frage ein. »Weißt du noch, wo du dich vor einem Mond in der dunkelsten Nacht aufgehalten hast?«
Das war noch vor dem Zwischenfall am Pass von Gordom. »Ich war hier. Es hatte Streit unter den Greifen gegeben, und wir mussten ihre Wunden behandeln.«
»Du warst in jener Nacht also nicht auf Patrouille.«
Sollte das ein kruder Scherz sein? »Natürlich nicht. Ihr wisst doch, dass wir nur dann nachts fliegen, wenn Ihr es befehlt. Und schon gar nicht, wenn der Mond sein Gesicht verhüllt.«
Auch diesen Einwurf überging der Kommandant, als habe er ihn nicht gehört. »Ist dir in jener Nacht irgendetwas aufgefallen? War vielleicht jemand nicht da, der hätte anwesend sein müssen?«
Geht es hier um Verrat? Hatten Retheons Harpyien etwas gesehen, das ihn zu diesen Fragen bewegte? Das kann nicht sein! Dass Retheon sie nicht in seine Überlegungen einweihte, enttäuschte und empörte sie zutiefst. Dennoch blieb er der Kommandant. Sie musste ihm nach bestem Wissen Auskunft geben. »Nein«, antwortete sie nach kurzem Nachdenken. »Es gab keine ungewöhnlichen Vorkommnisse.«
»Und in den Tagen danach? Hast du einen Elf in den Grenzlanden umherwandern sehen, der nicht zu einer Patrouille gehörte?«
Mahalea schüttelte den Kopf. »Nicht einmal einen Sucher.« Außer jenen seltenen rastlosen Seelen, die mit geschorenem Haar als Pilger in die Welt hinauszogen, weil sie auf die Begegnung mit einem Astar hofften, betrat fast nie ein Elf die Länder der Menschen.
»Hm.« Wieder nickte Retheon mit grüblerischem Blick. »Das war alles. Danke. Finde heraus, wovor diese Orks so viel Angst haben.«
9
»Ihr wisst in der Tat, Gäste zu bewirten«, lobte Davaron auf Nikenisch und hob seinen silbernen Becher. »Lasst uns auf Euer Wohl trinken, Meister Evrald.«
Die zwergische Anrede klang zwar noch unbeholfen aus seinem Mund, aber das würde ein weiteres Wurzelbier schon richten, dachte Athanor belustigt und übersetzte die Worte des Elfs für die anderen Zwerge. Wenn sich Davaron Mühe gab, konnte er fast sympathisch wirken.
Die um den langen Tisch Versammelten stimmten lautstark in das Lob auf den Gastgeber ein. Schaum schwappte aus den Bechern und triefte auf die Tafel, die unter den vielen Töpfen, Tellern und Schüsseln kaum noch zu sehen war. Vom zahnlosen Greis bis zum Dreikäsehoch, der kaum über die Tischplatte lugen konnte, war Evralds große Familie samt seiner Freunde zusammengeströmt, um Athanors Ankunft zu feiern. Nun ja, sie stießen wohl eher auf den Brokat an, den Evrald zu horrenden Preisen weiterverkaufen würde. Doch das störte Athanor nicht, solange ein solches Festmahl für ihn heraussprang.
Die Luft war schwer vom Rauch aus der Feuerstelle und fettigem Dunst aus der Küche. Es roch nach Braten und fremdartigen Gewürzen, die die Zwerge aus Flechten und farbigen Salzen gewannen. Männer wie Frauen hatten sich in reich bestickte Jacken aus gutem Tuch gekleidet, während der Rest ihrer Kleidung kaum von ihrer Arbeitskluft zu unterscheiden war. So mancher aufwendig geflochtene Bart fing die Reste des fröhlichen Schmausens auf, und das Bier wurde ohnehin durch die üppige Haarpracht geseiht. Auch Athanor nahm einen weiteren Schluck des bitteren Gebräus. Es half, die dämliche Eule zu vergessen, die nun in irgendeinem dunklen Gang herumflatterte. Falls er sie jemals wiedersah, würde er ihr die Schwungfedern stutzen – ob sie nun Elanya war oder nicht.
»Die Ausdehnung Eurer unterirdischen Stadt ist wirklich beeindruckend«, sagte Davaron gerade zu Evrald. »Aber ich bin doch ein wenig enttäuscht. Es wird so viel von den sagenhaften Hallen der Zwerge gesprochen, von unvorstellbaren Schätzen und Pfeilern aus purem Gold. Das ist wohl alles
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