Der letzte Krieger: Roman
übertrieben.«
Wollte der hochnäsige Elf ihnen mit Beleidigungen das Geschäft verderben? Athanor setzte zu einer zornigen Erwiderung an, doch der Zwerg kam ihm zuvor.
»Oho! Der Herr aus dem Süden schließt von meinem bescheidenen Heim auf das ganze Königreich. Da irrt Ihr Euch aber gewaltig. Wartet’s nur ab! Morgen zeige ich Euch, was wahre Pracht ist.«
Und dieses Versprechen hielt Evrald. Nach einem kräftigen Frühstück, das Davaron wie gewohnt verschmähte, verließen sie die niedrigen Räumlichkeiten des Händlers, in denen sie sich unter den Türen hindurchducken mussten. Jedes Mal, wenn er sich bückte, schmerzte Athanors Schädel noch vom Bier. Der Ausflug kam ihm nun sogar gelegen, denn die Bewegung vertrieb den dumpfen Druck aus seinem Kopf.
Draußen auf den Gängen tollten Kinder herum, und nicht nur sie blickten staunend den hochgewachsenen Fremden nach. Die Decken waren hier höher als in den Wohnräumen, die Luft roch frischer, aber eine leichte Beklemmung erfasste dennoch Athanors Brust. Wie tief unter dem Berg befanden sie sich? Das unvorstellbare Gewicht der Gesteinsmassen über seinem Kopf wurde ihm mit einem Mal überdeutlich bewusst. Und Evrald führte sie noch weiter hinab. Durchatmen! Diese Stollen sind Tausende Jahre alt. Sicher würden sie noch einmal so lange halten. Trotzdem schielte er von Zeit zu Zeit zur Decke hinauf, ob sich auch kein Riss zeigte. In seinen Ohren erwachte das Krachen einstürzender Hallen zu neuem Leben. Das Mahlen der ins Rutschen kommenden Steine. Das Prasseln des Mörtels, der aus aufgesprengten Fugen rieselte. Er spürte die Erschütterung des Bodens unter seinen Füßen, atmete Staub und Rauch … Husten schüttelte ihn und vertrieb die Erinnerung.
»Geht es dir gut, mein Freund?«, erkundigte sich Evrald. »Wir haben einen Heiler, der …«
»Nein, nicht nötig«, wehrte Athanor ab und straffte sich. »Mir geht’s gut. Was ist das dort vorn?«
Vor ihnen mündete der Stollen in einen lang gestreckten Saal, in dem es laut und geschäftig zuging. Wehmut schlich sich in die Miene des Händlers. »Das, ihr Herren, ist unsere Markthalle.«
Aus allen Richtungen liefen hier Gänge zusammen. Entlang der Wände reihten sich die Auslagen der Handwerker und Händler unter unzähligen Arkaden auf. Bunt bemalte Reliefe über den Ständen verkündeten von Weitem, was es wo zu erstehen gab. Bis unter die gewölbte Decke reichten die Bilder empor und zeigten Szenen aus dem Markttreiben und den Geschäften der Kaufleute. Mit Blattgold überzogene Münzen und Schmuck, Gürtel und Kelche glänzten darin auf. Zwerge kamen und gingen, karrten Waren herbei oder trugen sie in Körben und Säcken davon. Andere standen schwatzend zusammen, lachten oder schimpften über unverschämte Preise.
»Früher konntest du hier alles bekommen«, schwärmte Evrald mit verklärtem Blick. »Edle Stoffe aus den Elfenlanden, Spitze aus Ithara, Pelze aus den Nordmarken, aber auch Getreide aus Darania, Stockfisch aus dem Stürzenden Fluss, gedörrtes Obst aus den Gärten am Kaysasee.« Traurig schüttelte er den Kopf. »Jetzt gibt es nichts mehr davon.«
»Ich finde die Vielfalt immer noch recht beeindruckend«, gestand Athanor, während sie am Stand eines Laternenmachers vorbeigingen. Das Angebot reichte von einfachen Grubenlampen bis zu filigranen Leuchten aus Messing und Glas. Nebenan gab es noch prunkvollere Stücke aus Gold oder Silber, und wieder eine Auslage weiter schlichte Öllampen aus Ton.
»Ha! Du weißt eben nicht, wovon du sprichst, mein Freund. Das ist doch alles nichts Besonderes. Du findest es in jedem Königreich unter den Bergen zu Hauf«, behauptete Evrald und fing sich dafür einen bösen Blick des Händlers ein, an dessen Krügen mit schillernden schwarzen Ölen sie gerade vorüberkamen.
»So eine Frechheit!«, polterte der Zwerg. »Nur bei mir gibt es zehn verschiedene Öle aus zehn verschiedenen Quellen! Überzeugt Euch von der Leichtflüssigkeit, fremder Herr!« Er hob eine volle Kelle aus einem Krug und ließ das Öl zurück in den Behälter rinnen.
»Belästige meine Gäste nicht mit deinem Teerschlamm!«, gab Evrald zurück. »Jeder weiß doch, dass du …«
»Danke, wir brauchen zurzeit kein Lampenöl«, fiel Athanor ihm ins Wort und schob ihn energisch weiter. »Vielleicht ein andermal.«
»Ich sage nur die Wahrheit«, protestierte Evrald. »Wenn ihr gutes Öl haben wollt, das sauber verbrennt, müsst ihr …«
»Wir benötigen kein Öl«, schnitt
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