Der letzte Krieger: Roman
den Blick über den riesigen Schutthaufen schweifen, der den Großteil der Höhle einnahm. Aus drei Richtungen liefen Stollen in diesem natürlich entstandenen Saal zusammen, doch von der vierten Seite war nichts mehr zu sehen. Falls es dort einen weiteren Zugang gegeben hatte, war er nun hinter einem doppelt mannshohen Hügel aus Gesteinsbrocken verborgen.
Und genau dort müssten wir wahrscheinlich hin. Misstrauisch äugte er zur Decke hinauf. »Ist das schon lange eingestürzt?«
»Hm?« Hrodomar, der gerade wieder auf seiner verworrenen Karte herumgekritzelt hatte, folgte seinem Blick nach oben. »Wie kommst du darauf, dass hier etwas eingestürzt ist? Für mich sieht der Fels völlig intakt aus.«
»Und wo kommt dann das alles her?« Athanor deutete auf den unübersehbaren Schuttberg.
»Der Abraum? Na, aus den umliegenden Stollen. Irgendwo muss das Gestein doch hin, das wir aus dem Berg schlagen.«
Wieder kam sich Athanor vor wie ein einfältiger Esel, dem der Zwerg die einfachsten Dinge erklären musste. Warum war er nicht selbst darauf gekommen? Ich bin eben kein verdammter Maulwurf. Und dieses ständige Ping zerhackte jeden vernünftigen Gedanken.
Es schien seit Ewigkeiten anzudauern. Je nachdem, in welche Richtung sie sich bewegten, hörten sie es mal lauter, mal leiser, aber selbst wenn sie glaubten, es habe aufgehört, hatten sie sich nur zu weit davon entfernt. Was meist bedeutete, dass sie kurz darauf umdrehen mussten, weil sie wieder in eine Sackgasse gelaufen waren.
»Ich sage das nur ungern,« gestand Elanya, »aber ich glaube, wenn wir die Kristalle finden wollen, müssen wir dem Schlag des Eisenherzens folgen.«
»Nur weil es pocht, ist es noch lange kein Herz«, wehrte Athanor ab. Der Vergleich bereitete ihm eine Gänsehaut. Er stellte sich lieber einen dem Irrsinn verfallenen Schmied vor, der unablässig auf ein längst zersprungenes Werkstück einschlug. Mit einem Zwerg würde er schon fertig werden, ganz gleich, wie verrückt er war.
»Aber sie hat recht«, stellte Davaron fest. Seit Elanya ihn behandelt hatte, hielt er sich aufrechter, und sein ohnehin schmales Gesicht sah weniger eingefallen aus. »Uns von dem Geräusch zu entfernen, hat uns nicht weitergebracht. Du wirst doch sicher keine Angst haben, Mensch.«
Ganz der Alte. »Ich weiß überhaupt nicht, was das ist.« Athanors Lächeln fühlte sich so falsch an, wie es war.
»Ist einer von euch Helden schon mal auf die Idee gekommen, dass es weise sein könnte, Furcht zu verspüren?« Falls Elanya versuchte, ihre Angst mit Wut zu überspielen, gelang es ihr nicht überzeugend. Umso mehr beeindruckte Athanor, dass sie entschlossen voranging, auf den Gang zu, aus dem der eiserne Herzschlag drang. Ohne Laterne wollte sie ihn allerdings doch nicht betreten, weshalb sie sich halb furchtsam, halb ungeduldig nach Athanor umsah.
»Halt lieber deine Axt bereit«, riet er Hrodomar, der seinen Kohlestift zückte. Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat er mit Elanya den Gang, der sich nicht von allen anderen zu unterscheiden schien. Sie hielt Pfeil und Bogen locker in den Händen, doch ihr Blick glitt unruhig umher.
Ping. Das Geräusch wurde lauter, je weiter sie vordrangen, aber noch immer war es nur ein ferner Hall. Bald erreichten sie die nächste Gabelung. Athanor hielt gerade lange genug inne, bis Hrodomar auf seine Zeichnung gekritzelt hatte, dann schlugen sie erneut die Richtung des Hämmerns ein. Je näher sie dem Geräusch kamen, desto sicherer war Athanor, dass sie tatsächlich auf einen Schmied stoßen würden, der in der Einsamkeit den Verstand verloren hatte.
Die Ränder des Lichtscheins huschten vor ihm über Wände und Decke des Gangs. Oder waren es Schatten, die vor der Laterne flohen? Wenigstens brach es die Eintönigkeit der Stollen. Wie lange stapften sie nun schon durch diese immer gleichen Gänge, in denen nicht mehr als versprengte Steinchen her… Der Gedanke riss ab, als im Zwielicht des äußersten Laternenscheins etwas aufblinkte. Der Glanz war nur matt, aber er stammte nicht von den Felsen.
Athanor riss sein Schwert heraus. Neben ihm hatte Elanya den Bogen bereits gehoben und richtete den Pfeil auf das, was vor ihnen am Boden kauerte. Hinter sich hörte er Davarons Klinge aus der Scheide fahren. Wachsam machte er einen Schritt vorwärts. Elanya gab seiner durch die Laterne ungeschützten Seite Deckung.
Im Spiel von Licht und Schatten schimmerte es metallisch. Athanor kniff die Augen zusammen, um besser zu sehen.
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