Der letzte Krieger: Roman
ihr die Kraft. »Davaron, komm mit dem Licht her!«
Athanor wich zurück, um die Stelle zu betrachten, aber da die Laterne auf dem Boden stand, reichte sein Schatten bis zur Decke hinauf.
»Was hast du entdeckt?«, wollte Davaron wissen und bewegte sich erstaunlich schnell. Schon hatte er die Laterne aufgeklaubt und hielt sie zwischen Elanya und das Tor, um dem Tanz ihrer vier Schatten ein Ende zu bereiten.
Jetzt sah Athanor die Flecken auch. In verblasstem Braun prangten sie zu beiden Seiten des Spalts zwischen den Torflügeln. Einer war so deutlich als Handabdruck zu erkennen, als wäre er absichtlich gemacht worden. Die anderen sahen verwischter aus, aber die Finger, das Abrutschen, alles sprang deutlich ins Auge. Jemand hat verzweifelt versucht, das Tor zu öffnen. Jemand mit blutigen Händen.
In den Gängen war es so still, dass ihre Schritte von den Wänden widerhallten und Athanor seinen eigenen Atem hörte. Selbst das Rascheln ihrer Kleider, das ihm auf ihrer Wanderung nie aufgefallen war, kam ihm hier laut vor. Er trug die Laterne – mit links, um die Rechte für das Schwert frei zu haben –, doch außer grob behauenem Fels gab es nichts zu entdecken. An seiner Seite lief Hrodomar, der stets schnaufte, sobald Athanor mit seinen langen Beinen zu rasch ausschritt. Dabei kamen sie ohnehin nicht schnell voran, denn oft mussten sie anhalten, damit der Zwerg mit einem Kohlestift auf einem dünnen Pergament herumkritzeln konnte.
»Wird das eine Karte?«, erkundigte sich Athanor skeptisch. Weder die Anordnung der Symbole noch die Stellen im Gang, an denen sich Hrodomar Notizen machte, ergaben für ihn einen Sinn.
»Nicht direkt«, wich der Zwerg aus. »Ich notiere verschiedene Gesteinsarten und ihre Abfolge. Es hilft, um herauszufinden, was hier abgebaut wurde oder sich vielleicht noch abbauen lässt.«
» Damit verschwendest du unsere Zeit?« Athanor hätte Hrodomar am liebsten durchgeschüttelt. »Blutüberströmte Zwerge kratzten am Tor, und du schreibst Inventarlisten?«
»Was ist los?«, mischte sich Davaron ein. Mit der verbliebenen Hand umklammerte er seinen verbundenen Arm knapp oberhalb des Stumpfs, als könne es die Schmerzen lindern.
»Ich dachte, der verrückte Zwerg fertigt eine Karte an. Stattdessen malt er die Felsen ab.«
»Hast du nicht gesagt, dass er sich hier auskennt?« Elanya sah aus, als ob sie in Gedanken bereits den Weg zurück abginge.
»Ich sagte, dass er weiß, wie wir hier wieder herauskommen. Das ist nicht dasselbe.« Zornig wandte sich Athanor Hrodomar zu. »Wie willst du ohne Karte das Tor wiederfinden?«
Der Zwerg sah irritiert zu ihm auf. »Indem ich dorthin zurückgehe. Wie denn sonst?«
Muss ich ihm das buchstabieren? »Das hier ist ein verfluchtes Labyrinth. Du kannst dir doch unmöglich alle Abzweigungen merken.«
»Natürlich nicht. Aber das muss ich doch auch gar nicht. Wenn ich einmal einem Stollen gefolgt bin, kenne ich ihn. Ich sehe die Felsschichten, ihre Farbe, die Neigung des Gangs. Keiner ist wie der andere. Siehst du das nicht?«
»Sehe ich etwa aus wie ein Zwerg?«
Hrodomar murmelte nur etwas in seinen Bart.
»Wenn ihr keinen Faden dabei habt, dem wir zurückfolgen können, sollten wir wirklich verdammt gut auf den Kurzen aufpassen«, beschied Athanor den anderen. »Offenbar kann er den Berg lesen wie eine Schriftrolle.«
Missmutig stapfte er hinter Hrodomar her. So sehr auf den Zwerg angewiesen zu sein, gefiel ihm nicht, aber wenigstens hatte Hrodomar vorgesorgt. Das musste er ihm lassen. Sie schleppten in ihren Bündeln und Taschen nicht nur Proviant und ihre eigene Ausrüstung, sondern auch Lampenöl für die Laterne, einen Strick, eine Fackel, eine Schaufel und eine Spitzhacke. Gegen den Fluch würde ihnen das alles jedoch wenig nützen.
»Sackgasse«, verkündete Hrodomar und malte wieder Zeichen auf das Pergament in seiner Hand. Athanor ging noch ein paar Schritte weiter, um sich davon zu überzeugen, dass sie keine versteckte Abzweigung übersahen. Wenn es so weiterging, konnten sie tagelang in diesem Labyrinth herumirren. »Warum macht sich jemand die Mühe, einen Stollen hundert Meter weit voranzutreiben, nur um dann aufzuhören?«
»Musst du ständig Zwergisch sprechen?«, nörgelte Elanya. »Nie weiß ich, ob du etwas Wichtiges sagst.« Nervös sah sie sich um, den Bogen mit aufgelegtem Pfeil bereits in den Händen.
»Als ob jemals ein Mensch etwas Wichtiges von sich gegeben hätte«, murmelte Davaron.
Athanor zog es vor, nur Elanya
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