Der letzte Kuss
seine Hände in die Hosentaschen.
»Warum auch nicht. Hier wird ihn keiner vermissen«, sagte Chase grinsend und klopfte Roman auf den Rücken.
»Halt verdammt noch mal den Mund.«
Rick lachte. »Probleme wegen Charlotte? Dann kann sie ja wohl dafür bürgen, wo du die letzte Nacht verbracht hast?«
In Romans Kopf setzte ein dumpf hämmernder Schmerz ein. »Sag’s bitte nicht.«
Sein mittlerer Bruder nickte. »Höschendiebstahl Nummer sechs. Ich muss also nochmals fragen: Wo warst du gestern Nacht?«
Chase und Rick, die es immer genossen, sich auf Romans Kosten zu amüsieren, lachten laut. Er antwortete nicht; schließlich wusste er, dass das nicht nötig war. Aber er ließ sich trotz des Hänselns und Lachens nicht täuschen. Ebenso wie er waren die beiden nicht begeistert, dass sie immer noch eine ungeklärte Verbrechensserie in ihrer Stadt aufzuklären hatten.
Charlotte hatte die Redaktion im Laufschritt verlassen, musste aber, als sie außer Atem geriet, langsamer werden, und setzte dann mit Mühe ihren Heimweg fort. Als ein Kleintransporter die Straße entlang rumpelte, sah sie das mit Erleichterung, da ein stechender Schmerz in ihrem Magen eingesetzt hatte.
Sie hielt den Daumen raus und versuchte zum ersten Mal überhaupt, per Anhalter zu fahren. Fred Aames, der einzige Klempner der Stadt, bot ihr an, sie bis vor ihre Tür zu bringen. Auf halbem Weg zu ihrem Laden und weg von Roman fiel ihr ein, dass sie keine Anzeige in der Zeitung aufgegeben hatte. Sie würde Chase später anrufen. Um keinen Preis wollte sie zurückgehen und den Chandler-Brüdern mit ihrer miesen Münzwette begegnen. Sie fragte sich, ob die sich gerade darüber amüsierten, verwarf den Gedanken aber sogleich.
Roman hatte nichts zu lachen. Er hatte seine Kandidatin verloren und musste erneut auf die Suche gehen. Er musste eine andere Frau finden, die er vernaschen und schwanger zurücklassen konnte.
Ihr drehte sich der Magen um, und es kostete sie große Willenskraft, Fred nicht zu bitten anzuhalten, damit sie sich in irgendeinem Busch übergeben konnte.
»Hast du schon gehört?«, fragte Fred, redete weiter, ehe sie antworten konnte. Wahrscheinlich war er es gewohnt, sich während der Arbeit unter Spültischen hervor zu unterhalten, ohne auf die Außenwelt zu achten. »Marge Sinclair sind ihre Höschen gestohlen worden.«
Nicht schon wieder. Sie begann, sich die Schläfen zu massieren. »Marge? Ich habe sie ihr erst gestern selbst vorbeigebracht.«
Er zuckte die Schultern. »Wie sagt man so schön? Wie gewonnen, so zerronnen.« Sein Gelächter wurde unterbrochen, als sein alter Transporter in ein Schlagloch geriet und Charlotte mit der Schulter gegen die Tür geschleudert wurde. »Aber ich gebe nichts auf die Kommentare vom alten Whitehall, die er über Roman Chandler abgibt.«
Als er Romans Namen erwähnte, krampfte sich Charlottes Magen zusammen. Kleinstadtleben, dachte sie. Sie mochte es gern, aber manchmal bedeutete es, dass man nicht entfliehen konnte, so sehr man es sich auch wünschte. »Nein, ich glaube auch nicht, dass Roman Chandler Slips stehlen würde«, sagte sie, nur um mal was zu sagen.
»Na ja, wenn es ein Streich sein sollte, würde er es tun, aber er würde sie nicht so klauen, wie es die Zeitung schildert.«
»Mhm.« Vielleicht würde Fred ja das Thema wechseln, wenn sie nicht direkt antwortete.
»Er hat zu viel Charakter.«
»Er hat Charakter, das stimmt«, murmelte sie. Sie wollte sich im Augenblick lieber nicht weiter über Romans Charakter verbreiten, weil ihr da einiges auf der Zunge lag, was
schnell in der Gerüchteküche der Stadt landen könnte. Das wollte sie genauso wenig wie Roman.
»Er hat sich damals in der High-School für mich eingesetzt. Das werde ich nie vergessen und das soll auch niemand sonst. Ich sage jedem, der mir über den Weg läuft, dass Roman kein Dieb ist.« Er machte eine Vollbremsung vor ihrem Laden.
Sie rieb sich die gequetschte Stelle auf ihrer Schulter und griff nach ihrer Tasche. Wer stahl nur diese Unterwäsche? Sie zählte in Gedanken alle bisherigen Opfer auf. Whitehall, Sinclair … Alle über fünfzig, fiel ihr auf, und sie fragte sich, ob Rick oder sonst jemand von der Polizei zu demselben Schluss gekommen war und ob das überhaupt etwas zu bedeuten hatte. Seltsam schon, dachte sie, noch milde ausgedrückt.
»Hast du was gesagt?«, fragte Fred und kam ein wenig aus seinem Sitz hoch.
»Ich wollte wissen, ob dir klar ist, dass ich dir mein Leben verdanke.
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