Der letzte Kuss
erregen.«
Charlotte stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Wenn man bedenkt, wie viel Aufmerksamkeit unser Laden jetzt schon auf sich zieht, brauche ich keine weitere Hilfe, die Blicke auf uns zu lenken.«
Mit Männern hatte sie seit ihrer Zeit in New York City – also seit sechs Monaten – keine Verabredungen mehr gehabt, und obwohl sie sich manchmal einsam fühlte, war sie noch nicht bereit, wieder mit dieser Routine anzufangen – mit den langen Essensverabredungen einschließlich der sich hinziehenden Schweigeminuten, oder dem obligatorischen Gute-Nacht-Kuss, bei dem sie unvermeidlich die forschende Hand ihres Begleiters festhalten musste, bevor es in richtige Fummelei ausartete. Ihr war andererseits klar, dass sie dieses Spiel in absehbarer Zeit wieder aufnehmen musste, wenn sie zusätzlich zu ihrer Karriere ihr Leben mit Mann und Kindern vervollständigen wollte.
»Jede Frau braucht männliche Beachtung. Es stärkt das Selbstbewusstsein, da gibt’s gar nichts zu argumentieren?«
Charlotte runzelte die Stirn. »Mir wäre lieber, ein Mann würde …«
»An deinem Verstand interessiert sein als an deinem Gesicht oder Körper«, äffte Beth sie nach, die Hände in die Hüften gestützt.
Charlotte nickte: »Das ist richtig. Und ich würde es jedem Mann mit dem gleichen Respekt vergelten.« Sie grinste: »Klinge ich langsam wie eine Platte, die einen Sprung hat?«
»Ein bisschen schon.«
»Erklär mir mal Folgendes: Warum sind die Männer, die mich anziehen, nur an der Verpackung interessiert und bleiben nicht auf lange Sicht in meiner Nähe?«, fragte Charlotte.
»Weil du dich mit den falschen Männern verabredet hast? Oder vielleicht, weil du ihnen keine Chance gibst? Außerdem
ist es eine bewiesene Tatsache, dass Männer zunächst von der Verpackung angezogen werden. Ein cleverer Typ, der richtige Typ, wird dich kennen lernen, und dann kannst du ihn mit deiner brillanten Intelligenz umhauen.«
»Männer, die zuerst auf das Aussehen achten, sind zu oberflächlich.«
»Du fängst ja schon wieder an! Ziehst verallgemeinernde Schlüsse. Dabei bitte ich dich, Unterschiede zu machen.«
Beth legte wieder die Hände in die Hüften und sah Charlotte finster an. »Die Verpackung vermittelt nun mal den ersten Eindruck«, beharrte sie.
Charlotte fragte sich, wie Beth derartig darauf bestehen konnte, wo sie doch der lebende Beweis für das Gegenteil war. Wenn Beth daran glaubte, dass ein Mann zunächst nur von der Verpackung angezogen wurde, um erst danach eine Frau um ihrer selbst willen kennen und schätzen zu lernen, warum hatte sie sich dann einer Schönheitsoperation unterzogen, nachdem sie ihren Verlobten gefunden hatte? Doch hatte Charlotte ihre Freundin zu gern, um sie mit einer solchen Frage zu verletzen.
»Sieh dir zum Beispiel dieses Geschäft an.« Beth fuhr mit der Hand durch die Luft. »Du verkaufst die Verpackung und bist damit verantwortlich für die Verjüngung so manch einer Beziehung oder Ehe, die fade geworden ist.«
»Das kann ich nicht bestreiten.« Viele ihrer Kunden hatten ihr dasselbe erzählt.
Beth grinste: »Die Hälfte aller Frauen dieser Stadt hat wieder Sex, und das verdanken sie dir.«
»So weit würde ich nun nicht gehen.«
Die Freundin zuckte die Schultern. »Wie auch immer. Was ich damit sagen will: Vermittelst nicht gerade du die Botschaft, dass Verpackung wichtig ist?«
»Ich hielte es lieber für meine Botschaft, dass es okay ist, ganz sich selbst zu sein.«
»Ich glaube, wir meinen dasselbe. Aber ich lasse das Thema jetzt mal fallen. Habe ich dir erzählt, dass David Pauschalangebote macht? Augen und Kinn, Liften und Implantate.«
Charlotte verdrehte die Augen. Ihrer Meinung nach war Beth perfekt gewesen, bevor sie sich unters Messer begeben hatte, und Charlotte konnte immer noch nicht verstehen, was sie auf den Gedanken gebracht hatte, sich verändern zu müssen. Aber Beth wollte offenbar nicht darüber reden. Sie pries nur die Dienste ihres zukünftigen Mannes an.
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du dich wie eine Werbung für deinen Schönheitschirurgen anhörst?«
Beth lächelte: »Aber natürlich. Ich habe vor, den Mann zu heiraten. Warum sollte ich sein Geschäft und unser gemeinsames Bankkonto nicht gleichzeitig aufbessern?«
Beths geldgierige Reden passten überhaupt nicht zu der süßen, sachlichen Frau, wie Charlotte sie kannte; eine weitere feine Veränderung, die Charlotte seit ihrer Rückkehr an Beth bemerkte. Wie Charlotte war Beth
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