Der letzte Kuss
zunächst Rick und danach Roman ansah. Dann tat er seine Pflicht, wie er sie immer erfüllte, ohne einen Rückzieher: »Es sieht so aus, als könntest du jetzt was zu trinken gebrauchen, kleiner Bruder. Du bist das Opferlamm bei Mutters Streben nach Enkelkindern.«
Rick stieß einen tiefen Seufzer aus, der nichts war im Verhältnis zu dem Bleiklumpen in Romans Magen. Chase ging zu Roman hinüber. »Wenn du da wieder raus willst, ist jetzt noch Zeit. Es wird dir niemand Vorwürfe machen.«
Roman zwang sich zu einem Lächeln, womit er dem achtzehnjährigen Chase nachzueifern versuchte. »Du hältst es also für eine schwere Aufgabe, Frauen unter die Lupe zu nehmen und Babies zu machen? Wenn ich damit fertig bin, wirst du dich an meine Stelle wünschen.«
»Sieh zu, dass sie Klasse hat«, sagte Rick sehr hilfsbereit,
aber weder in seinen Worten noch in seinem Tonfall war eine Spur von Humor. Er konnte sich offensichtlich in Romans Schmerz hineinversetzen, obwohl er sichtlich erleichtert war, nicht der Auserwählte zu sein.
Roman wusste den Versuch, ihn aufzuheitern, zu schätzen, auch wenn es nichts nützte. »Es ist noch wichtiger, dass sie nicht zu viel erwartet«, schoss er zurück. Welche Frau er auch immer heiraten würde, sie musste von Anfang an wissen, wer er war, und akzeptieren, was er nicht war.
Chase gab ihm einen Schlag auf den Rücken. »Ich bin stolz auf dich, Kleiner. Das ist eine Entscheidung, die man nur einmal im Leben trifft. Sei dir vorher sicher, dass du mit ihr leben kannst, ja?«
»Ich habe nicht vor, mit irgendjemand zu leben«, murmelte Roman.
»Was hast du dann vor?«, fragte Rick.
»Eine nette Ehe aus der Ferne, die mein Leben gar nicht besonders verändern muss. Ich möchte eine Frau finden, die bereit ist, zuhause zu bleiben und das Kind aufzuziehen, und die glücklich ist, mich wiederzusehen, wann immer ich zurückkomme.«
»Du hast dir schon genug aufgeladen, ist es das?«, konterte Rick.
Roman sah ihn finster an. Der Versuch, ihn aufzuheitern, war fehlgeschlagen. »Wir hatten es doch eigentlich verdammt gut, als wir Kinder waren, und ich möchte sicher gehen, dass die, die ich heirate, meinem Kind ein ebenso schönes Leben geben kann.«
»Du wirst also unterwegs und die Frau wird zuhause sein.«
Chase schüttelte den Kopf. »Halte mit dieser Einstellung besser etwas hinter dem Berg. Bestimmt willst du doch nicht
gleich zu Beginn deiner Suche mögliche Kandidatinnen vergraulen.«
»Keine Chance«, kicherte Rick. »Wie sagt man? Bevor er in ein Leben voller Abenteuer entschwand, gab es kein einziges Mädchen auf der High-School, das ihn nicht begehrt hätte.«
Trotz der angespannten Situation musste Roman lachen. »Aber erst nach deinem Abgang. Es war nicht leicht, in deine Fußstapfen zu treten.«
»Das versteht sich ja von selbst.« Rick verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. »Aber man sollte fair bleiben. Ich musste in die Fußstapfen von Chase treten, und die waren riesig. Die Mädels liebten seine starke, stille Art. Allerdings, sobald er seinen Abschluss nahm, lenkten sie ihr Augenmerk auf mich.« Er schlug sich auf die Brust. »Und als ich dann weg war, konntest du das Terrain übernehmen. Und alle waren sie interessiert.«
Nicht alle. Wie so oft tauchte ohne Vorwarnung die Erinnerung an seine High-School-Angebetete wieder auf. Charlotte Bronson, ein schönes Mädchen mit pechschwarzem Haar und grünen Augen, hatte seine Teenager-Hormone gründlich durcheinander gebracht. Sie hatte ihn brüsk zurückgewiesen, und das lag ihm immer noch im Magen, genauso schmerzhaft wie damals. Sie war diejenige, die ihm entkommen war, und er hatte sie niemals vergessen. Gern hätte er alles als Teenager-Schwärmerei bezeichnet und es dabei belassen, aber er musste sich der Wahrheit zuliebe eingestehen, dass es tiefer gegangen war.
Seinen Brüdern gegenüber hatte er das nie zugegeben, noch würde er es heute tun. Einiges musste ein Mann auch für sich behalten können.
Zuletzt hatte Roman gehört, dass Charlotte nach New
York City gezogen wäre, der Hauptstadt der Modewelt. Obwohl er ein Apartment in derselben Stadt gemietet hatte, war er ihr nie begegnet oder hatte sie gar besucht. Abgesehen davon war er selten länger in der Stadt als für eine Übernachtung, um seine Kleidung zu wechseln und dann seinen nächsten Bestimmungsort anzusteuern.
Seit längerem hatte ihm auch seine Mutter keinen Klatsch mehr serviert, sodass ihn jetzt die Neugier packte. »Ist Charlotte
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