Der letzte Kuss
immer noch mit beiden Händen ihre Vorderarme gepackt, und das Verlangen, sie zu lieben – hart und heftig – war überwältigend. »Nenn mir einen Grund, warum nicht, und sieh zu, dass der stichhaltig ist.«
»Weil meine Mutter eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter
hinterlassen hat. Sie hat gesagt, sie wolle mich auf dem Baseball-Feld treffen. Sie geht so gut wie nie zu solch öffentlichen Veranstaltungen, und jetzt gleich zweimal in der Woche. Ich muss dort sein.«
Das Bedauern in ihren Augen genügte ihm. Im Moment jedenfalls. »Ich hätte nicht gedacht, dass du etwas wirklich Zwingendes vorbringen würdest. Es ist dir gelungen.« Er lockerte seinen Griff. Sein Körper war nicht davon begeistert, aber sein Herz hatte gesiegt. Er wollte ihr geben, was sie sich wünschte, in diesem Fall, ihre Mutter zu treffen.
Er hoffte nur, dass es ihr keinen Schmerz bereiten würde. »Du hast mit ihr noch nicht gesprochen, seit du zurück bist?«
Charlotte schüttelte den Kopf.
Dann wusste sie mit Sicherheit noch nichts über ihren Vater. »Charlotte …«
»Komm.« Sie ergriff seine Hand. »Lass uns meine Mutter suchen gehen, noch etwas vom Spiel mitkriegen, und, wenn du Glück hast, kannst du danach mich kriegen.« Sie lachte, und ehe er nur ein Wort sagen konnte, lief sie los.
Er stöhnte auf und lief hinterher, weil er einfach nur bei ihr sein wollte, um den Schaden zu begrenzen, wenn der Schock sie traf.
Charlotte blickte über die Schulter zurück und lachte. Wegen ihres schnellen Starts war ihr ganz schwindelig. Natürlich hatte Romans Kuss auch zu ihrer Benommenheit beigetragen. Ihre Flucht war reiner Selbstschutz. Egal, wie weit sie vom Baseballfeld entfernt waren, jeder würde nach einem Blick auf sie sich ausrechnen können, was sie getan hatten. Je weniger sie unter der Tribüne taten, desto besser war es, jedenfalls was sie betraf. Bis später. Dann konnten sie weitermachen, wo sie aufgehört hatten, und tun, was sie wollten.
Dieser Gedanke jagte ihr wohlige Schauer über den Rücken, erregte jeden Nerv und trieb ihr die Röte in die Wangen. Als sie noch einmal über die Schulter zurückblickte, sah sie Roman gemütlich hinter ihr hergehen. Er grinste und winkte, wurde dann aber von Rick aufgehalten, der ihn bei der Schulter packte.
Charlotte verlangsamte ihre Schritte und stieß, als sie sich umdrehte, direkt auf ihre Mutter. Eine glänzende Ausgabe ihrer Mutter, mit geschminktem Gesicht, strahlendem Lächeln und funkelnden Augen.
»Mama!«
»Wo kommst du so eilig hergerannt?« Annie umarmte sie innig und ließ sie dann wieder los.
»Ich bin … ich war …«
»Du hast mit Roman unter der Tribüne rumgemacht.« Ihre Mutter hob die Hand und fuhr ihr mit den Knöcheln über die Wange. »Ich erkenne die Anzeichen. Dein Vater und ich haben das auch immer getan.«
Charlotte lag der Protest auf den Lippen. Sie wollte nicht akzeptieren, dass irgendetwas von ihren Gefühlen für Roman mit denen von Annie und Russell vergleichbar war. Noch nicht einmal das, was so leicht und spaßig war wie das Verhalten von Teenagern.
»Was hat dich also heute Abend hierher geführt?«, fragte Charlotte.
Auf der Suche nach Dennis Sterling blickte sie sich um und musterte dann neugierig ihre Mutter. »Oder vielleicht sollte ich eher fragen: Wer hat dich heute Abend hierher geführt?«
Aus dem Augenwinkel sah sie Beth weiter hinten wild winken. Wenn Beth derartig hungrig war, sollte sie ruhig schon ohne sie anfangen zu essen. Charlotte bedeutete
ihr mit dem Zeigefinger, dass sie noch eine Minute brauchte.
Annie seufzte. »Ich hätte es wissen müssen, dass ich in dieser Stadt kein Geheimnis für mich behalten kann.«
Charlotte wandte sich wieder ihrer Mutter zu. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Charlotte sah nur, dass ihre Mutter so glücklich lächelte und so unbeschwert lachte, wie seit Jahren nicht mehr. Wenn Charlotte Dennis begegnen sollte, würde sie ihm einen dicken Kuss geben.
Sie drückte ihre Mutter fest an sich. Als sie einatmete, wurde sie von einem ihr unbekannten herrlichen Duft betört. »Parfüm und Make-up«, murmelte sie.
»Ich hoffe, du begrüßt mich mit derselben Begeisterung, Charlie.«
Diese Stimme, die sie mit diesem Namen anredete! Charlotte wurde stocksteif, ließ die Arme sinken und wich langsam von ihrer Mutter zurück. Wie Blei senkte sich Enttäuschung in ihre Magengrube. Sie hätte es eigentlich besser wissen müssen. Wie konnte sie nur glauben, ihre Mutter hätte
Weitere Kostenlose Bücher