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Der letzte Kuss

Der letzte Kuss

Titel: Der letzte Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillips Carly
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sich erlaubt, Interesse an jemand anderem zu haben als an ihrem abwesenden Ehemann, Russell Bronson?
    Sie drehte sich um und sah sich dem Mann gegenüber, der nach Belieben und eigenem Zeitplan in ihr Leben trat und wieder ging. Er sah so gut aus wie immer in Khakihosen und einem marineblauen Pullover. Sein Haar war ordentlich gekämmt. Es war mehr Grau darin, als sie in Erinnerung hatte. Sein Gesicht wies zwar mehr Falten auf, aber er alterte vorteilhaft. Und er sah glücklich aus.
    Im Gegensatz zu ihrer Mutter war Charlotte fest davon überzeugt, dass sein Wohlbefinden nicht davon abhing, ob er mit Annie zusammen war oder nicht. Aber die Stimmung ihrer Mutter, das, was sie tat, und selbst wie sie aussah, waren
davon abhängig, ob Russell in der Stadt war. Und wann er wieder verschwand.
    Charlottes Zorn wuchs, nicht nur auf den Mann, der Yorkshire Falls und seine Familie zu einer Drehtür gemacht hatte – sondern auch auf ihre Mutter, die sich so leicht manipulieren ließ. Und das schon so lange Zeit.
    »Charlie?«
    Charlotte schlang die Arme eng um ihre Taille. »Der verlorene Vater ist also wieder einmal heimgekehrt.«
    Er machte einen Schritt nach vorn und sie einen zurück.
    Enttäuschung flackerte in seinen Augen auf – oder vielleicht wollte sie das nur so sehen. Das verdammte Quäntchen Hoffnung, das sie immer in ihrem Herzen bewahrt hatte, ließ sich nicht auslöschen, aber sie wollte sich nicht dementsprechend verhalten.
    Das Baseballspiel ging weiter, doch Charlotte hatte jedes Interesse daran verloren. Anscheinend ging es der übrigen Menge ebenso. Sie fühlte Dutzende von Augenpaaren auf die zerrüttete Bronson-Familie gerichtet, fast als litte sie unter Verfolgungswahn. Sie wappnete sich gegen die Blicke und das Geschwätz und stand stumm da, während sie darauf wartete, dass ihre Eltern etwas sagten.
    Russell seufzte. »Das war nicht der Empfang, den ich mir erhofft hatte«, sagte er schließlich.
    »Aber doch sicherlich der, den du erwarten musstest.«
    Roman trat an ihre Seite und legte seinen Arm um ihre Schulter. Mehr Futter für den Klatsch bei Norman, dachte sie nüchtern. »Unterbreche ich gerade ein Familientreffen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Roman, du erinnerst dich doch an meinen …« Sie räusperte sich. »Du erinnerst dich an Russell, oder?«

    »Natürlich«. Er streckte die Hand aus. »Schön, Sie wiederzusehen.«
    Die liebe Raina hatte ihren drei Söhnen perfekte Manieren beigebracht. Zu schade, dass sie ihnen nicht auch ihren Sinn für Stabilität und Zuverlässigkeit mitgegeben hatte.
    Russell schüttelte Roman die Hand. »Es ist schon ziemlich lange her.«
    »Ganz sicher«, bestätigte Roman.
    Charlotte biss die Zähne zusammen, zwang sich zu einem Lächeln und richtete ihre nächsten Kommentare an Roman. »Wie wahr. Und da du schon ein paar Tage in der Stadt bist, bist du eher auf dem Laufenden, was es hier Neues gibt. Warum hilfst du Russell nicht dabei nachzuholen, was er während seiner Abwesenheit versäumt hat?«
    Es schnitt ihr ins Herz, als Roman daraufhin scharf einatmete, aber sie weigerte sich, deshalb ihre Absichten zu ändern. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie sie sich gefühlt hatte, als sie unter der Tribüne hervorgelaufen war, lachend, glücklich und aufgeregt durch ihr Zusammentreffen mit Roman. Mit erregter Vorfreude hatte sie auf die folgende Nacht hingelebt, wenn sie ihn für sich allein haben würde. Und jetzt sah sie ihre Mutter vor sich stehen, mit ähnlich erröteten Wangen und einem sorglosen Ausdruck – all das nur, weil Russell Bronson sich herabgelassen hatte, heimzukehren. Die Parallelen zwischen ihr und ihrer Mutter waren gewaltig. So auffallend, dass sie zu begreifen begann, wie Annies Leben mit Russell anfing und endete. Ein Leben lang im Schwebezustand. Ausgeschlossen, Charlotte wollte nicht wie sie enden. Sie blickte zwischen den beiden Männern hin und her, die, wenn sie es zuließe, die Macht hatten, ihr das Herz zu zerreißen. Sie konnte es sich nicht leisten, jetzt gegenüber einem von ihnen weich zu werden.

    So sehr sie auch Roman nicht verletzen wollte, so sehr stand er für alles, was sie fürchtete. Wie hatte sie das vergessen können? »Wisst ihr, mir fällt gerade auf, dass ihr beide so viel gemeinsam habt, dass es direkt unheimlich ist.«
    Russell blickte Roman an, oder eigentlich Romans Hand auf ihrer Schulter. »Ich bin mir da nicht so sicher.«
    »Oh, aber ich. Wie lange bleibst du dieses Mal hier? Einen Tag? Ein

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