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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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würde suchen müssen. »Hoffentlich finde ich zurück, scheiße, warum muss das mir passieren...« Schritt für Schritt pirschte sie sich weiter vor, jederzeit damit rechnend, dass sie den Klippenrand erreichte, abrutschte, abstürzte, in den rauschenden Gletscherfluss fiel. Aus, vorbei …
    »Elías?«
    Ein Stöhnen drang durch den Wind zu ihr.
    »Elías??«
    Ein paar letzte Schritte, etwas Dunkles auf dem grauen Boden – da lag er, halb in eine Felsspalte gerutscht, mit dem Gesicht im dürren Heidekraut, die kräftigen Hände um einen knorrigen Strauch geklammert. Die Hände sind wahrhaftig das Stärkste an diesem Mann, schoss es ihr durch den Kopf. Seine Füße konnte sie nicht sehen, und auch nicht, ob er damit Halt gefunden hatte und ob er sich abstützte. Sie sank auf die Knie.
    »Elías – um Himmels willen...«
    Der Alte hob den Kopf, eine Spur zu träge. Angst schoss in ihr Herz. Wie lange er wohl schon hier lag …
    »Elías, bist du – bist du -«, verflucht, die Worte, wo waren die Worte... sie sprach auf Deutsch weiter. »Bist du verletzt? Tut dir was weh? Hängst du fest – wie hängst du hier – ich – ach, scheiße, warum ist niemand hier, verdammt, warum hilft mir niemand...«
    Elías ließ mit einer Hand den Strauch los und winkte sie näher heran. Vorsichtig beugte sie sich über ihn – und erschrak, denn unter ihm gähnte neblig der Abgrund, und die schäumende Gischt des Gletscherflusses, der sich in einer Stromschnelle an Felsbrocken brach, drohte aus dem Nebel. Der alte Mann griff nach ihrer Hand, arbeitete sich hoch zum Handgelenk und umklammerte es. Sie staunte, welch festen Griff er hatte.
    »Zieh«, sagte er deutlich. »Zieh mich.«
    Der Wind ließ für einen Moment nach, wie um ihr Gelegenheit zu geben, zu helfen, ohne dass Regentropfen ihr in die Augen wehten oder verwirbelte Haare ihr die Sicht nahmen. Beherzt packte sie mit beiden Händen Elías’ Hand, suchte sich einen guten Halt und zog. Sie ächzte, weil er so schwer war, rutschte auf dem brüchigen, alten Heidekraut, fluchte, weil er sich kaum bewegte, dann doch, aber ohne mitzuhelfen – konnte er denn nicht, war sein Bein gebrochen...? Lies hing beinahe waagrecht über der Heide. Stück für Stück bewegte der Alte sich aus der Spalte heraus, stumm, fast unbeteiligt, was Lies plötzlich unglaublich wütend machte. Er konnte sie wenigstens ermutigen – irgendwas sagen, sie anfeuern oder sie mal anschauen. Aber nein, nichts. Grimmig schraubte er den Blick in den Boden. Der Ärger nahm überhand, verlieh ihr aber gleichzeitig die Kraft, ihn mit einem Riesenruck über die Kante in die Sicherheit des Heidekrauts zu ziehen. Erschöpft blieben sie beide liegen.
    Der Spitz kläffte und sprang wie ein Gummiball um sie beide herum.
    »Halt doch’s Maul«, war alles, was Lies herausbrachte. Sie stützte sich auf den Ellbogen und rieb sich die schmerzende Hand. »Und? Alles in Ordnung?«
    Elías lag schwer atmend im Heidekraut. Der Hund schnüffelte an ihm herum, kläffte und winselte gleichzeitig, die Angst um seinen Herrn war deutlich zu spüren. Lies strich ihm sanft über das nasse Fell, da legte er sich gehorsam auf den Boden, dicht neben seinen Herrn, um zu wachen, wie er es wohl schon eine ganze Weile getan hatte.
    »Kannst du laufen?«, versuchte Lies erneut ihr Glück. Elías antwortete nicht. Sie biss sich auf die Lippen. Verflucht. Verfluchte Scheiße. Sie war nass, fror, hatte Hunger. Scheiß Island. Wann ging der nächste Flieger?
    »Bist du verletzt?« Mit einer Hand rüttelte sie an seiner Schulter, da drehte er sich langsam und leise stöhnend auf die Seite. Ihr war, als flüstere er etwas. Der Wind war aufgefrischt und sandte ihnen einen kühlen Schauer von oben, als reiche es nicht, dass sie im nassen Heideboden lagen. Ja, danke auch! Lies wischte sich fluchend mit dem Ärmel durch das Gesicht. Die faltigen Lippen des Alten bewegten sich, und so beugte sie sich zu ihm herab.
    »Pferd«, flüsterte er. »Sörli. Hol das Pferd. Sei so gut, Mädchen, sei so gut. Hol Sörli.«
    Das Pferd. Er wollte das Pferd. Es hieß Sörli, jetzt endlich wusste sie es. Ratlos sah sie an ihm herab. Seine Hosenbeine waren zerfetzt, die Schuhe hatte er wohl beim Strampeln und Suchen nach Halt an der Felswand verloren, und auch der Strickpullover hatte arg gelitten. Die nackten, erstaunlich schmächtigen Unterschenkel schimmerten bläulich und... Lies traute ihren Augen kaum. Sie schluckte. Das eine Bein war voller offener Geschwüre

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