Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
Vom Netzwerk:
Kaffee, so heiß wie er war, in einem Zug hinunter.
    »Aber hätte man nicht jemanden fragen können?«, knurrte sie stumm, »irgendwer wird ja wohl einen Traktor mit Gerät besitzen.«
    »Wir haben immer alles allein gemacht auf Gunnarsstaðir«, setzte er noch hinzu.
    »Ah.«
    Sie aßen schweigend.
    »Aber den Dünger, den hat dir jemand gebracht?«, raffte sie sich nach einer Weile auf zu fragen.
    »Ari bringt den Dünger«, schmatzte er.
    »Ah.«
    »Wir haben immer alles allein gemacht auf Gunnarsstaðir.«
    Lies betrachtete ihn von der Seite. Seine Hände waren immer noch riesengroß, und in seine Faust passte das Doppelte an Perlen wie in ihre. Der Rest des Mannes jedoch, Oberkörper, Schultern, und selbst die Höhe, schrumpfte zusehends, wie sie fand. So hatte dieser Spruch etwas von einem Mantra, einer Beschwörung, von jemandem, der spürte, wie ihn die Kräfte verließen, der aber nicht aufgeben wollte, weil die Berge kein Verständnis dafür haben würden.
    Aufgeben hieß sterben.
    Sie bewunderte ihn für seine Zähigkeit.
     
    Der Nachmittag wurde zur Qual. Sie konnte kaum noch die Arme bewegen, sie hasste die Perlen, die ihr in der Schüssel durch die Finger rollten, sie hasste den Wind, der auffrischte und die Perlen in die falsche Richtung lenkte, sie hasste den unebenen Boden, über den sie stolperte. Am Ende hielt sie einzig der Blick auf den alten Mann aufrecht, der vorwärtsging und vorwärtsging und immer weiterging, die Schüssel neu befüllte und wieder von Neuem vorwärtsging, bis die riesige Wiese bis zum letzten Winkel gedüngt war und hoffentlich reiche Ernte bringen würde. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, und die Lippen hatten eine bläuliche Färbung angenommen. Lies raffte sich auf, mobilisierte die allerletzten Kräfte, um die Plastiksäcke zusammenzuraffen und auf den Karren zu packen, den Sörli am Nachmittag brav neben ihnen hergezogen hatte. Der Hengst hatte auch keine Lust mehr und Ungeduld in den Augen.
    »Setz dich«, brummte Elías und deutete auf den Karren. Der war zwar uralt, aber stabil und bot zwei Personen gerade so Platz. Ihr war nicht ganz wohl dabei, doch den ganzen Weg zu Fuß zu laufen, darauf hatte sie noch viel weniger Lust. Und so kam Lies in den Genuss der ersten Kutschfahrt ihres Lebens – unfreiwillig, unbequem und flotter, als sie gedacht hatte. Als der Hengst antrat, machte es einen Ruck, Elías schnalzte, und dann flogen sie dahin, an den Bergen vorbei, den ganzen langen Weg, den sie beim Düngen gemacht hatten, zurück, und die Grashalme nickten im Fahrtwind winkend und dankend für den nahrhaften Besuch …
    Im Schneidersitz kauerte Lies sich hinter den Alten und hielt sich krampfhaft an der niedrigen Eisenstange fest. Was für eine verrückte Idee! Elías hielt die Leinen und feuerte sein Pferd an. Die weiße Mähne sprühte, stolz aufgerichtet lief der Hengst vorwärts, sich Gunnarsstaðir präsentierend und unglaublich zufrieden schnaubend, und seine Hufe trommelten im flotten Tölt über den Boden. Der Karren rumpelte über Buckel, bollerte über die Holzbrücke, der Fluss flog unter ihnen dahin, Wind kühlte ihr erhitztes Gesicht, Island grüßte, Island war schön …
    Kurz darauf saßen sie, beide mit roten Wangen, am Küchentisch, und Elías schöpfte Suppe in die Teller. » Jæja «, sagte er einfach nur so und stellte ihr den Teller hin, und der knallte heute gar nicht so wie sonst. Lies hatte Brot abgeschnitten und blätterte noch hastig im Wörterbuch.
    » Hugaður ekill «, las sie vor und sah hoch. »Elías. Du bist ein mutiger, tollkühner Kutscher.«
    Und das Gesicht des alten Mannes von Gunnarsstaðir begann zu zucken, erst an den Brauen, dann an den Mundwinkeln, bis es ein verschmitztes Lächeln gefunden hatte, mit dem es sich so wohlfühlte, dass es sich über das ganze faltige Gesicht ausbreitete und man vergaß, dass dieser Tag Elías an die Grenzen seiner körperlichen Kräfte gebracht hatte.
    » Jæja «, grinste er, »tollkühn.«

7. Kapitel
     
    Elías brauchte lange, um sich von der anstrengenden Düngerei zu erholen. Knurrig und übellaunig hatte er ein paar Tage zwischen Bett und Küche verbracht und ihr Essen bemäkelt, jedoch nicht mehr ganz so biestig und bösartig wie sonst. Man muss nur mal zusammen Kutsche fahren, dachte Lies grinsend beim Tischabräumen, während er mit seinem Strickstrumpf am Ofen hockte. Kutsche fahren bringt Schwung ins Leben. Mit Schwung stellte sie ihm den Kaffee auf einen Hocker und

Weitere Kostenlose Bücher