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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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gefunden. Lies schlug sich die Arme um den Leib und schaute verzückt zu, wie die Natur sich selber half.
    Es war zwar viel mehr Arbeit, das Heu zu den Tieren nach draußen zu bringen, weil sie keine saubere Schubkarre fand, auf die sie das Heu laden konnte, doch die Fröhlichkeit der Lämmer und die Erleichterung der alten Tiere, nach dem langen Winter im engen Stall endlich wieder in die Freiheit entlassen zu werden, entschädigte genug. Zum ersten Mal nahm sie wahr, wie endlos lang das Fell der Mutterschafe war und wie lustig es in langen Rastasträhnen hüpfte, wenn sie losrannten. Kein Schaf, das sie je gesehen hatte, war so langhaarig wie diese Tiere! Noch war der Pelz schmutzig und durch Mist verklumpt, doch der nächste Regen würde sie sicher sauberspülen und weiße Wollknäuel freilegen. Grinsend dachte sie an ihre Strickstrümpfe und dass es irgendwie ein gutes Gefühl war, zu wissen, wo die Wolle für die Strümpfe herkam. Anna Bryndís hatte feine Wolle gesponnen – ob das Spinnrad noch irgendwo stand? Vielleicht sollte sie auch ihr Strickzeug wieder hervorkramen und sich demnächst mal an einen Pullover wagen.
    Sie atmete lächelnd durch und platzte vor Energie, zusammen mit der wärmenden Maisonne Neues auszuprobieren.
     
    Natürlich hatte Elías Ärger gemacht. Offenbar hing er ja den ganzen Tag hinter der Glasscheibe und beobachtete, was auf seinem Hof so passierte. Als also die große Tür geöffnet worden war und alle für die Freiheit erwählten Tiere nach draußen stürmten, war ein Schrei von der Haustür her ertönt, der Lies und sämtliche Schafe kurz innehalten ließ. Wild fuchtelnd war der alte Bauer zur Weide gehumpelt und hatte mit seinem Stock versucht, die Tiere zusammenzutreiben, was natürlich Unfug war, denn er war ja kein Hund, und dem Spitz, dem es gelungen wäre, hatte er nicht gesagt, was zu tun war. Sie stoben daher ausgelassen vor ihm auseinander, die Mutterschafe lachten meckernd, Wollberge flohen tanzend vor seinem Stock, schwebten mühelos über die Wiese, wie wenn die Klauen den Boden nicht berührten, der Spitz kläffte, bis er heiser war, und hatte unglaublichen Spaß, die Schafe in alle Richtungen zu jagen, und das weiße Pferd sah dem Treiben von seinem Hügelchen auf der Weide interessiert zu und machte einen wunderschönen runden Hengsthals, wenn ein Schaf zu nah an ihm vorbeigeschossen kam.
    Beschwichtigend lief sie auf Elías zu. Er schwang den Stock und schaute sehr böse drein, während er auf sie einschimpfte. »Zu früh, viel zu früh!«, hatte sie verstanden, und: »Mai, Mädchen, erst im Mai!«
    Es war Mitte Mai.
    »Aber das Pferd! Das muss in den Stall!«, blaffte er und hob erneut den Stock.
    »Es will nicht mehr in den Stall«, sagte Lies. Sörli schüttelte die wallende Mähne und drehte sich vorsichtshalber um. Es hatte sie nach der Freilassung beinahe zwei Wochen gekostet, bis er sie so an sich herangelassen hatte, dass sie das Halfter ausziehen konnte, welches er nach dem Klippenausflug immer noch mitsamt Strick trug. Nachher hätte sie sich am liebsten geohrfeigt – ob sie es jemals wieder schaffte, ihn einzufangen, so ganz ohne Zubehör?
    Brot hatte er mit langgemachtem Hals von ihr genommen und manchmal die Hand geleckt, doch Anfassen war nicht erlaubt gewesen. Sein neu erwachtes Misstrauen hatte keine Grenzen gekannt, und sie hatte sich gewundert, wie schnell er hier draußen ein komplett anderes Pferd geworden war: frei, stolz und absolut unabhängig.
    »Das Pferd gehört in den Stall«, beharrte der Alte.
    »Elías – es wird Sommer. Es kann draußen bleiben«, sagte Lies, diesmal mit fester Stimme. Und – wie seltsam – als habe Sörli begriffen, dass sie seine Partei ergriffen hatte, marschierte er auf die beiden zu und scharf an ihnen vorbei in Richtung Klippen, wo der Zaun die Tiere daran hinderte, herabzustürzen. Auf der Klippe drehte er sich noch einmal um und reckte den mächtigen Hals. Niemals mehr würde er in diesen Stall gehen.
    Elías brummte böse vor sich hin. »Das Pferd steht im Winter immer im Stall, das war immer schon so, im Winter steht das Pferd im Stall, im Stall...« Damit humpelte er davon, den Stock irritiert auf den Boden klopfend, und ein Lamm, das ihn neugierig verfolgte, huschte unter dem Stock davon.
    Es war Mitte Mai.
     
    Seine Laune jedoch besserte sich von Tag zu Tag, nun, da die Sonne endlich richtig schien. Vielleicht hatte er auch begonnen, seine Medikamente regelmäßig zu nehmen, denn der Gestank

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