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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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verließ das Haus. Ihr eigener Muskelkater war inzwischen immerhin abgeklungen. Sörli hatte man nichts angemerkt. Aber Kutsche fahren brachte ja auch Schwung ins Leben. Er trabte selbstzufrieden über die Weide, als sie zum Stall rüberging.
    Da es ja von Beginn an keine Arbeitsanweisungen gegeben hatte, Elías vielmehr ihre Hilfe geduldet hatte und sie an Fehlern nicht wirklich hindern konnte, machte Lies einfach weiter, wie und was sie für richtig hielt, und begann, den Schafstall zu entmisten. Sie hatte nämlich mal einen Spaten in den Boden gesteckt, und das Metall war im Boden komplett verschwunden. Grunzend steckte sie einen alten Zollstock in das gestochene Loch – 50 Zentimeter, zumindest an der Stelle, wo sie stand. 50 Zentimeter Mist. Ein halber Meter! Aus wie vielen Jahren? »Das ist ja widerlich!«, schrie sie die Grassodenwand an. Die Grassodenwand lachte nur gönnerhaft. Mist macht warm.
    Die verbliebenen Schafe mit Lämmern, die noch zu schwach waren, beziehungsweise die Schafe, die noch ablammen mussten, trieb sie todesmutig durch den Stall auf die andere Seite, verteilte sie in Boxen und brach vorne die Trennwände ab. Eine Mordsschlepperei, die riesigen Holzwände durch den Modder auf die Seite zu tragen, und die Schafe hörten interessiert zu, wie sie stellvertretend für ihre missliche Lage Packbier, den Alten und alle, die sonst noch Ärger in ihrem Leben verursachten, verfluchte und ihnen Pest und Cholera samt glitschigem Schafsmist auf den Hals wünschte.
    Das Schleppen der Holzwände war nichts gegen das, was sie mit dem Mistboden erwartete. Sie hatte sich noch über den messerscharfen Spaten gewundert – ein Werkzeug, mit dem man jemanden umbringen konnte. Mit ihrem ganzen Körpergewicht stürzte sie sich auf diesen Spaten, um ihn so tief wie möglich in den Boden zu treiben, denn der Mist hatte sich im Laufe der Lammgenerationen zu einer betonartigen Masse verfestigt. »Scheiße, verfluchte!«, brüllte sie, und die Wut verlieh ihr Bärenkräfte, trotzdem fühlte sie sich wie Don Quichotte, der gegen Windmühlenflügel kämpft. Beim Mittagessen schlief sie fast am Tisch ein, und als Elías sie fragte, was sie da drau ßen triebe, lachte er nur, als sie knurrte: »Ausmisten.«
    Und er sagte noch: »Das ist Arbeit für ein Regiment Männer, Mädchen«, und lud ihr ungewohnt fürsorglich ein weiteres Fleischstück auf den Teller. Weder ermunterte er sie, dort weiterzumachen, noch hielt er sie davon ab. Und da Lies es hasste, angefangene Arbeit – und sei sie noch zu ätzend – liegenzulassen, ging sie nach dem Mittagessen mit neuer Energie ans Misten.
    Es war nicht nur Knochenarbeit, es war auch nur mit geöffneten Türen zu ertragen, und natürlich kamen Schafe, um neugierig nachzuschauen, was da drinnen so passierte. Sie steckten ihre hellen Köpfe zur Tür herein und blökten mitfühlend. Mist gab es zu sehen, stinkenden Mist in festgebackenen Stücken, die ihr die Luft raubten, wenn sie die, die sie losgehackt hatte, wie alte Käsekuchenstücke aus dem Boden klaubte und auf die verbeulte Schubkarre warf. Die Schubkarre entlud sie alle paar Male draußen auf dem Misthaufen, dort, wo auch der Mist des weißen Pferdes vor sich hin gärte und wohin ihr die Hartnäckigen unter den Schafen ebenfalls folgten. Auch Lämmer liefen ihr meckernd zwischen den Beinen herum.
    »Ist das normal, dass ihr so zutraulich seid?«, fragte sie das wollige Völkchen und bückte sich, um eins von ihnen auf den Arm zu nehmen. Hielt man so eins im Arm, vergaß man Anstrengung, Schmerz und sogar den Gestank. Na, so zutraulich wie die beiden Schwarzen waren nun doch nicht alle von ihnen, sie erwischte das Lämmchen so gerade noch an den Hinterläufen und hob es mit Schwung hoch. Eins von den braunen, deren Farbe einem Dobermann glich. Meckernd versuchte es sich zu befreien, der zierliche Lauf fuhr durch ihr Gesicht und hinterließ eine erdige Spur auf der Wange.«Neenee, so geht’s nicht, kleiner Dobermann. Dich kenn ich«, gurrte sie lächelnd, »dich kenn ich, du bist über die Wände gehüpft...«
    Die Wolle des jungen Tieres war so unglaublich weich, fast wie Seide, und die Löckchen neckten ihre Handinnenfläche. Das Böckchen schnüffelte an ihrem Haar, nahm probeweise eine Strähne ins Maul, kaute drauf herum und entschied, dass das kein genießbares Futter war. Lachend ließ sie das strampelnde Etwas wieder hinunter, es rannte bockend seinen weißen Freunden hinterher. Sie waren schon süß, diese nach

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