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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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ruft die Kinder der Lenapen auf?«, sprach er in tiefem Kehltone, der durch die atemlose Stille der Menge hörbar wurde, »wer spricht von Dingen, die vergangen sind? Wird nicht das Ei zum Wurme? Der Wurm zur Fliege, die dann zugrunde geht? Warum den Delawaren von Gütern sprechen, die verloren sind? Lieber dem Manitu danken für das, was geblieben ist.«
    »Ein Wyandot tut es«, sprach Magua, dem rohen Erdhügel nähertretend, auf welchem der andere stand; »ein Freund von Tamenund.«
    »Ein Freund!«, wiederholte der Weise, dessen Braue sich finster zusammenzog, sodass sein Ausdruck einen Teil jener Strenge wiedergewann, welche sein Auge in früheren Jahren so furchtbar machte, »sind die Mingos Herren der Erde? Was führt einen Huronen hierher?«
    »Gerechtigkeit. Seine Gefangenen sind bei seinen Brüdern, und er kommt nach seinem Eigentum.«
    Tamenund wandte sein Haupt gegen einen der Alten, die ihn unterstützten, und ließ sich mit kurzen Worten berichten. Dann fasste er den Bittenden ins Auge, betrachtete ihn eine Weile mit tiefer Aufmerksamkeit und sprach mit leiser Stimme, zögernd:
    »Gerechtigkeit ist das Gesetz des großen Manitu. Meine Kinder, gebt dem Fremden zu essen. Dann, Hurone, nimm, was dein ist und entferne dich!«
    Nach diesem feierlichen Urteilsspruch ließ sich der Patriarch nieder, schloss die Augen wieder, als hätte er größeres Gefallen an den Bildern seiner eigenen gereiften Erfahrung als an den Gegenständen der Außenwelt. Gegen einen solchen Ausspruch zu murren, geschweige sich zu widersetzen, wagte kein Delaware. Diese Worte waren kaum ausgesprochen, als vier oder fünf jüngere Krieger hinter Heyward und den Kundschafter traten und ihre Arme so geschickt und schnell mit Riemen umschlangen, dass sie beide gänzlich gefesselt waren. Duncan war zu sehr in Anspruch genommen von seiner kostbaren, beinahe besinnungslosen Bürde, um ihre Absicht zu merken, ehe sie ausgeführt wurde; und Letzterer, der sogar die feindlich gesinnten Stämme der Delawaren als eine Art höherer Wesen betrachtete, unterwarf sich ohne Widerstand. Vielleicht hätte er sich nicht so duldsam verhalten, wenn ihm die Mundart, in welcher das vorhergehende Gespräch geführt worden war, völlig verständlich gewesen wäre.
    Magua warf einen Blick des Triumphes auf die ganze Versammlung umher, ehe er zur Ausführung seines Vorhabens schritt. Da er die Männer außerstande sah, Widerstand zu leisten, wandte er sich nach Cora, auf deren Besitz er den größten Wert legte. Sie begegnete seinem Blick mit einem so ruhigen und festen Auge, dass sein Entschluss zu wanken begann. Seines früheren Kunstgriffs gedenkend, nahm er Alice aus den Armen des Kriegers, an den sie sich lehnte, bedeutete Heyward, ihm zu folgen, und winkte der ihn umgebenden Menge, ihm einen Weg zu öffnen. Statt aber diesem Antrieb zu folgen, stürzte Cora zu den Füßen des Patriarchen, erhob ihre Stimme und rief:
    »Gerechter, ehrwürdiger Delaware, an deine Weisheit und Macht wenden wir uns um Gnade! Sei taub gegen jenes arglistige, gewissenlose Ungeheuer, das deine Ohren mit Falschheit vergiftet, um seinen Blutdurst zu stillen. Du, der du lange gelebt und die Übel der Welt kennengelernt hast, solltest das Elend der Unglücklichen zu mildern wissen!«
    Die Augen des alten Mannes öffneten sich schwerfällig, und noch einmal blickte er auf die versammelte Menge. Als die durchdringenden Töne der Flehenden sein Ohr trafen, bewegten sie sich langsam nach Cora und blieben endlich fest auf ihr ruhen. Auf die Knie geworfen und mit ineinander geschlungenen, auf die Brust gedrückten Händen, war sie ein schönes, atmendes Musterbild ihres Geschlechts, während sie mit einer Art heiliger Ehrfurcht auf das verwelkte, aber majestätische Antlitz des Greises blickte. Allmählich veränderte sich der Ausdruck von Tamenunds Zügen und ihre Leere ging in Bewunderung über; ein Teil jenes Geistes flog wieder über sie, dessen jugendliches Feuer ein Jahrhundert früher sooft in die Adern der Delawarenstämme überströmte. Ohne Hilfe, und wie es schien, ohne Anstrengung sich erhebend, fragte er mit einer Stimme, deren Festigkeit seine Zuhörer in Erstaunen setzte:
    »Wer bist du?«
    »Ein Weib – von einem verhassten Geschlecht, wenn du willst – eine Yengeese, aber ein Wesen, das dir nie etwas zuleide
    getan hat und deinem Volk nichts zuleide tun kann, wenn es auch wollte, – ein Wesen, das dich um Beistand anfleht.«
    »Sagt mir, meine Kinder«, fuhr der

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