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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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Volke gab er die Natur der Taube, Schwingen, die nie müde werden, Junge, zahlloser als die Blätter der Bäume, und eine Fresslust, die Erde zu verschlingen. Er gab ihm Zungen gleich dem falschen Rufe der wilden Katze, Herzen wie den Kaninchen; die Schlauheit des Schweins (aber nicht die des Fuchses), und Arme, länger als die Beine des Elchs. Mit seiner Zunge stopft es die Ohren der Indianer; sein Herz rät ihm, Krieger zu dingen, um seine Schlachten auszukämpfen; seine Schlauheit lehrt ihn, die Schätze der Erde an sich zu raffen, und seine Arme umschließen das Land von den Gestaden des Salzwassers bis zu den Inseln der großen Seen. Seine Gefräßigkeit macht es krank. Gott gab ihm genug, und doch will er alles haben. So sind die Blassgesichter.«
    »Noch andere schuf der große Geist mit Häuten, glänzender und röter, als die Sonne dort«, fuhr Magua fort, ausdrucksvoll gegen den matten Lichtkörper deutend, der sich durch die Nebelatmosphäre am Horizont kämpfte; »und diese bildete er nach seinem eigenen Sinn. Er gab ihnen dies Eiland, wie er es geschaffen hatte, bedeckt mit Bäumen und voll Wildes. Der Wind bahnte ihnen Lichtungen, die Sonne und der Regen reiften ihre Früchte und der Schnee kam, sie Dankbarkeit zu lehren. Was bedurften sie Straßen, um darauf zu reisen! Sie sahen durch die Berge. Wenn die Biber arbeiteten, lagen sie im Schatten und sahen ihnen zu. Die Winde kühlten sie im Sommer; im Winter hielten Felle sie warm. Wenn sie untereinander fochten, so war es nur, um sich als Männer zu erproben. Sie waren tapfer, sie waren gerecht, sie waren glücklich.«
    Hier machte der Redner eine Pause und blickte abermals um sich, ob seine Worte das Gefühl der Zuhörer gewonnen hätten. Überall traf er auf Augen, die sich auf ihn richteten, die Häupter emporgehoben, die Nasenlöcher weit geöffnet, als ob jeder einzelne Kraft und Mut in sich fühlte, das seinem Geschlecht widerfahrene Unrecht wieder gutzumachen.
    »Wenn der große Geist seinen roten Kindern verschiedene Sprachen gab«, fuhr er in gedämpftem, leisem, fast melancholischem Tone fort, »so war es, damit alle Tiere sie verstehen möchten. Die einen wies er auf die Schneegefilde zu ihrem Vetter, dem Bären; andere nach dem Untergang der Sonne, auf dem Wege nach den glücklichen Jagdgründen; einige in die Länder um die großen frischen Wasser. Seinen Größten und Geliebtesten aber gab er die sandigen Küstenflächen des Salzsees. Kennen meine Brüder den Namen dieses begünstigten Volkes?«
    »Es waren die Lenapen!«, riefen zwanzig Stimmen hastig und in einem Atem.
    »Es waren die Lenni-Lenapen!«, erwiderte Magua, das Haupt wie aus Ehrfurcht vor ihrer ehemaligen Größe beugend. »Es waren die Stämme der Lenapen! Die Sonne ging ihnen auf aus dem Wasser, das salzig, und ging unter in dem Wasser, das süß war: Nie verbarg sie sich ihren Augen. Doch warum sollte ich, ein Hurone aus den Wäldern, einem weisen Volke seine eigenen Überlieferungen erzählen? Warum es erinnern an die erlittene Unbill, an seine alte Größe, seine Taten, seinen Ruhm, sein Glück, seine Verluste, seine Niederlagen, sein Elend? Ist keiner unter ihnen, der das alles mit angesehen hat, der weiß, dass ich Wahrheit rede? Ich bin zu Ende. Meine Zunge ist stumm, denn mein Herz ist von Blei. Ich höre.«
    Als der Sprecher plötzlich verstummte, wandte sich jedes Gesicht und aller Augen, wie durch gemeinsamen Antrieb, auf den ehrwürdigen Tamenund. Von dem Augenblick an, da er seinen Sitz eingenommen, bis jetzt, hatten die Lippen des Patriarchen sich nicht geöffnet, und kaum war ihm ein Zeichen des Lebens entschlüpft. Er saß, von Schwäche niedergedrückt, und schien während der ganzen Eröffnungsszene, in der die Geschicklichkeit des Kundschafters sich so glänzend gezeigt hatte, auf nichts zu achten, was um ihn her vorging. Als aber Magua die Töne seiner Stimme unmerklich steigerte, zeigte er einige leise Teilnahme und hob sogar ein- oder zweimal das Haupt, als wollte er lauschen. Als der schlaue Hurone aber seine Nation beim Namen nannte, öffneten sich die Augenlider des alten Mannes, und er schaute auf die Menge mit jenem leeren, bedeutungslosen Ausdruck, den man dem Gesichte eines Gespenstes zuschreiben möchte. Er machte jetzt eine Anstrengung aufzustehen: Unterstützt von seinen beiden Freunden, ward er seiner Glieder mächtig und hatte nun eine Haltung gewonnen, die durch ihre Würde Ehrfurcht gebot, wiewohl seine Knie vor Schwäche zitterten.
    »Wer

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