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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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Patriarch mit heiserer Stimme fort, seiner Umgebung winkend, obgleich seine Augen immer noch auf der knienden Cora verweilten, »wo haben sich die Delawaren gelagert?«
    »Auf den Bergen der Irokesen, jenseits der klaren Quellen des Horican.«
    »Mancher sengende Sommer ist gekommen und gegangen«, fuhr der Weise fort, »seit ich von den Wassern meines eigenen Flusses getrunken habe. Die Kinder des Miquon sind die gerechtesten unter den weißen Männern; aber sie waren durstig und nahmen ihn für sich. Folgen sie uns so weit?«
    »Wir folgen niemand nach; wir begehren nichts«, antwortete Cora. »Als Gefangene gegen unseren Willen wurden wir in eure Mitte gebracht und bitten nur um Erlaubnis, im Frieden zu den Unsrigen heimkehren zu dürfen. Bist du nicht Tamenund – der Vater – der Richter – fast möchte ich sagen, der Prophet – dieses Volkes?«
    »Ich bin Tamenund, der so viele Tage erlebt hat.«
    »Es sind jetzt sieben Jahre her, dass einer aus deinem Volk in den Händen eines weißen Häuptlings an den Grenzen dieser Provinz war. Er machte darauf Anspruch, von dem Blute des guten und gerechten Tamenund zu sein. Geh’, sprach der weiße Mann, um deines Verwandten willen bist du frei! Erinnerst du dich des Namens dieses englischen Kriegers?«
    »Ich erinnere mich«, versetzte der Patriarch mit der eigentümlichen Erinnerungsgabe des höchsten Alters, »als ich noch ein lachender Knabe war, stand ich an dem Sande des Meeresufers und sah ein großes Kanu mit Schwingen, weißer als die des Schwans, und breiter als die vieler Adler vom Aufgang der Sonne kommen –«
    »Nein, nein, ich spreche von keiner so fernen Zeit, sondern von einer Wohltat, die einer der meinigen einem Verwandten
    von dir erwiesen hat: Dein jüngster Krieger kann sich dessen erinnern!«
    »War es, als die Yengeese und die Holländer um die Jagdgebiete der Delawaren kämpften? Da war Tamenund ein Häuptling und vertauschte zuerst den Bogen mit dem Blitze der Blassgesichter –«
    »Auch da nicht«, unterbrach ihn Cora, »viele Jahrzehnte später! Ich rede von etwas von gestern her. Gewiss, gewiss, – du hast es nicht vergessen!«
    »Erst gestern noch«, fuhr der Alte mit rührendem Pathos fort, »waren die Kinder der Lenapen Herren der Welt. Die Fische des Salzsees, die Vögel, die Tiere und die Mengwes der Wälder erkannten sie als Sagamoren.«
    Cora ließ bitter getäuscht ihr Haupt sinken und kämpfte einen Augenblick mit ihrem Schmerz; dann erhob sie ihr sprechendes Antlitz und ihre strahlenden Augen und fuhr in einem Tone fort, der beinahe ebenso eindringlich als die überirdisch klingende Stimme des Patriarchen war:
    »Sag’ mir, ist Tamenund Vater?«
    Mit einem wohlwollenden Lächeln auf seinen erstorbenen Zügen blickte der Greis auf sie herab, warf seine Augen langsam über die Versammlung und antwortete:
    »Vater einer Nation.«
    »Für mich selbst erbitte ich nichts. Wie bei dir und den Deinigen, ehrwürdiger Häuptling«, fuhr sie fort, ihre Hände krampfhaft auf das Herz gedrückt und das Haupt so tief senkend, bis ihre glühenden Wangen von der Fülle glänzend schwarzer Locken, welche unordentlich über ihre Schultern fielen, beinahe bedeckt wurden – »ist der Fluch meiner Vorfahren schwer auf ihr Kind gefallen. Aber dort ist eine, die nie zuvor des Himmels Ungunst gekannt hat. Sie ist die Tochter eines alten, schwachen Mannes, dessen Tage ihrem Ende nahe sind. Sie hat viele, sehr viele, die sie lieben, deren Wonne sie ist, und sie ist zu gut, viel zu kostbar, ein Opfer jenes Schurken zu werden!«
    »Ich weiß, die Blassgesichter sind ein stolzes und hungriges Geschlecht. Ich weiß, sie wollen nicht nur die Erde besitzen; selbst der Gemeinste ihrer Farbe soll besser als die Häuptlinge der roten Männer sein. Die Hunde und die Krähen ihrer Stämme«, fuhr der ernste, alte Häuptling fort, ohne auf die tief verwundeten Gefühle seiner Zuhörerin zu achten, deren Haupt sich vor Scham beinahe in die Erde drückte, »würden bellen und krähen, ehe sie ein Weib, dessen Farbe nicht weiß wie der Schnee wäre, in ihre Wigwams nähmen. Aber sie mögen nicht zu laut vor Manitus Angesicht prahlen! Bei Sonnenaufgang kamen sie ins Land, sie könnten’s wieder bei Sonnenuntergang verlassen müssen. Oft hab’ ich die Heuschrecken das Laub von den Bäumen streifen sehen; aber die Zeit der Blüten ist immer wiedergekommen.«
    »So ist es«, sprach Cora, mit einem tiefen Seufzer, als ob sie aus einer Erstarrung wieder

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