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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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eine Träne in dem fieberhaft glänzenden Auge, sprach sie so würdevoll als je: »Nun, wenn es dein Wille ist, will ich dir folgen!«
    »Ja, geh’!«, rief Duncan, indem er Alice den Armen eines Indianermädchens übergab, »geh’, Magua, geh’! Diese Delawaren haben ihre Gesetze, welche ihnen verbieten, dich zurückzuhalten; aber mich – mich bindet kein solcher Zwang. Geh’, boshaftes Ungeheuer, – warum zögerst du noch?«
    Es würde schwer sein, den Ausdruck zu beschreiben, mit welchem Magua diese Drohung anhörte. Zuerst war es wilde, unverhohlene Freude, die aber bald in die Miene kaltblütiger Verschmitztheit überging. »Die Wälder sind offen«, antwortete er ruhig, »die ›Offene Hand‹ kann kommen.«
    »Halt!«, rief Falkenauge, Duncan am Arm ergreifend und mit Gewalt zurückhaltend, »Ihr kennt die List des Schurken nicht. Er würde Euch in einen Hinterhalt führen und Euer Tod –«
    »Hurone«, unterbrach sie Uncas, welcher, der strengen Sitte seines Volkes getreu, ruhig, aber aufmerksam zugehört hatte, »Hurone, die Gerechtigkeit der Delawaren kommt von Manitu. Sieh nach der Sonne; noch ist sie in den obersten Ästen jener Schierlingstannen: Dein Pfad ist kurz und offen. Wenn sie über den Bäumen steht, werden Männer auf deiner Fährte sein!«
    »Ich höre eine Krähe!«, rief Magua mit höhnischem Gelächter. »Geht!«, fuhr er fort, seine Hand gegen die Menge schüttelnd, die ihm nur mit Widerstreben einen Durchgang öffnete. »Wo sind die Weiberröcke der Delawaren? Sie mögen ihre Pfeile und Büchsen den Wyandots schicken, sie sollen Wildbret zu essen und Korn zu behacken erhalten! Hunde, Kaninchen, Diebe – ich speie euch an!«
    Mit düsterem, Unheil weissagendem Schweigen wurde die Hohnrede des Scheidenden angehört, und mit diesem Spott im Munde trat der triumphierende Magua unangefochten in den Wald, gefolgt von der widerstandslosen Gefangenen und beschützt durch die unverletzlichen Gesetze indianischer Gastfreundschaft.

31
Fluellen: Die Kinder und den Tross erschlagen! ’s ist ausdrücklich gegen Kriegsgebrauch; ’s ist der schändlichste Schurkenstreich, merkt’s euch, den es auf Erden geben kann!
WILLIAM SHAKESPEARE
    Solange ihr Feind und sein Schlachtopfer noch sichtbar waren, blieb die Menge regungslos, als wäre sie von einer dem Huronen günstigen Macht an die Stelle gebannt; sobald er aber verschwand, erschien alles von wilder Leidenschaft mächtig aufgeregt. Uncas blieb auf seinem erhöhten Standpunkt, Cora im Auge behaltend, bis sich die Farben ihrer Kleidung in dem Laube des Waldes verloren; dann stieg er herab, schritt schweigend durch das Gedränge und verschwand in der Hütte, welche er vor kurzem erst verlassen hatte. Einige ernstere und aufmerksamere Krieger bemerkten, wie die Augen des jungen Häuptlings im Vorübergehen Blitze des Zornes schossen, und folgten ihm nach dem Orte, den er zur stillen Überlegung sich ausersehen hatte. Jetzt wurden Tamenund und Alice entfernt, den Weibern und Kindern aber befohlen, sich zu zerstreuen. Während der bedeutsamen Stunde, die nun folgte, glich das Lager einem Schwarm aufgestörter Bienen, welche nur das Erscheinen und den Vorgang der Führerin erwarten, um einen wichtigen Flug in die Ferne zu unternehmen.
    Ein junger Krieger trat endlich aus Uncas Hütte; er ging mit ernstem, bedächtigem Schritt auf eine Zwergfichte los, die aus den Spalten der Felsenterrasse wuchs, zog ihr die Rinde ab und kehrte, ohne zu sprechen, wieder dahin zurück, woher er gekommen war. Ihm folgte bald ein zweiter, welcher den Baum seiner Äste beraubte und den Stamm kahl und entblößt zurückließ. Ein dritter färbte den Pfosten mit dunkelroter Malerei. Alle diese Zeichen von feindlicher Absicht bei den Führern der Nation wurden von den umstehenden Kriegern mit düsterem, bedeutungsvollem Schweigen aufgenommen. Endlich erschien der Mohikaner wieder selbst: Er hatte seinen Anzug bis auf den Gürtel und die Beinkleider abgelegt, und die eine Hälfte seiner schönen Gesichtszüge war mit tiefem Schwarz wie mit einer drohenden Wolke bedeckt.
    Langsam und würdevoll näherte sich Uncas dem Pfosten und begann ihn alsbald abgemessenen Schrittes zu umkreisen, nicht unähnlich einem Tanze des Altertums, während er zugleich seine Stimme zu einem wilden, regellosen Kriegsgesang erhob. Die Töne stiegen zu der äußersten Höhe menschlicher Laute, oft so melancholisch und klagend, dass sie mit dem Gesange der Vögel wetteiferten; und dann wieder

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