Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
in plötzlichen Übergängen, so tief und kraftvoll, dass die Zuhörer darunter schauerten. Der Worte waren wenige, sie wiederholten sich oft, gingen von einer Art Hymne oder einem Anrufen der Gottheit allmählich darauf über, das Kriegsvorhaben anzukündigen, und schlossen, wie sie begannen, mit der Anerkennung seiner Abhängigkeit von dem großen Geiste. Wenn es möglich wäre, die ausdrucksvolle, melodische Sprache des jungen Kriegers zu übertragen, so möchte die Ode etwa so lauten:
Manitu! Manitu! Manitu!
Du bist groß, du bist gut, du bist weise:
Manitu! Manitu!
Du bist gerecht!
In den Himmeln, an den Wolken, oh! Da gewahr’ ich
Viele Flecken – viele schwarz, viele rot:
In den Himmeln, oh! Da seh’ ich
Viele Wolken.
In den Wäldern, in der Luft, oh! Da hör’ ich
Kriegsruf, Geschrei und langes Geheul.
In den Wäldern, oh! Da hör’ ich
Lauten Kriegsruf!
Manitu! Manitu! Manitu!
Ich bin schwach – du bist stark; ich bin langsam –
Manitu! Manitu!
Leih’ mir Hilfe!
Am Ende jedes Verses, wie man es nennen konnte, machte er eine Pause, indem er seine Stimme erhob und länger aushielt, wie es den gerade ausgedrückten Gefühlen eben entsprach. Der erste Schluss war feierlich und sollte den Gedanken der Verehrung nahe legen; der zweite beschreibend und an das Aufregende grenzend; und der dritte war das wohlbekannte, schreckliche Kriegsgeschrei, das wie eine Vereinigung der furchtbaren Klänge einer Schlacht den Lippen des jungen Kriegers entströmte. Der letzte war gleich dem ersten, demütig, flehend. Dreimal wiederholte er diesen Gesang und ebenso oft umtanzte er den Pfosten.
Am Schluss der ersten Runde folgte ein ernster, hochgeachteter Häuptling der Lenapen seinem Beispiele, selbstgedichtete Worte singend, aber nach einer ähnlichen Weise. Krieger um Krieger schloss sich dem Tanze an, bis alle, die in einigem Ruf und Ansehen standen, dabei versammelt waren. Das Schauspiel wurde jetzt wild und schreckhaft; die grimmigen, drohenden Gesichter der Häuptlinge erhielten einen noch gewaltigeren Ausdruck durch die grauenerregenden Töne, die sie aus tiefster Kehle ausstießen. Jetzt schlug Uncas seinen Tomahawk tief in den Pfosten und erhob die Stimme zu einem Geheul, das man sein eigenes Schlachtgeschrei nennen konnte. Damit kündigte er an, dass er die oberste Leitung in dem beabsichtigten Kriegszuge übernehme.
Dieses Signal weckte alle schlummernden Leidenschaften des ganzen Stammes. Hundert Jünglinge, die bisher die Scheu der Jugend zurückgehalten hatte, stürzten, Wahnsinnigen gleich, auf das Sinnbild des Feindes und hieben Splitter um Splitter zusammen, bis von dem Stamme nichts mehr als die Wurzeln in der Erde übrig war. Während dieses Tumults wurden an den einzelnen Überresten des Baumes alle Gräueltaten des Kriegs, wie es schien, mit einer Wut verübt, als ob sie die lebendigen Opfer ihrer Grausamkeit wären. Die einen wurden skalpiert, die anderen erhielten Streiche mit der scharfen, blinkenden Axt, wieder andere erlitten Stöße von dem tötenden Messer. Kurz, der Eifer und die wilde Freude waren so groß und unzweideutig, dass man wohl erkannte, die Unternehmung werde zu einem Kriege der ganzen Nation werden.
Sobald Uncas den Streich geführt hatte, trat er aus dem Kreise und warf sein Auge nach der Sonne empor, welche eben den Punkt erreichte, wo der Waffenstillstand mit Magua zu Ende ging. Ein entsprechendes Geschrei verkündete den Augenblick, und die ganze tobende Menge verließ unter durchdringenden Freudenrufen ihr mimisches Kampfspiel, um sich für die gefährlichere Wirklichkeit vorzubereiten.
Augenblicklich war das ganze Lager wie umgewandelt. Die Krieger, bereits bewaffnet und bemalt, wurden so stumm, als ob sie keines ungewöhnlichen Ausdrucks ihrer Gemütsbewegung fähig wären. Dagegen stürzten die Frauen aus ihren Wohnungen, abwechselnd Gesänge der Freude und der Klage erhebend, in so seltsamem Gemisch, dass man schwer sagen konnte, welche Empfindung die vorherrschende sei. Keine war jedoch müßig. Die einen trugen ihre kostbarste Habe, andere ihre Kinder, wieder andere alte und gebrechliche Personen in den Wald, der wie ein glänzend grüner Teppich die Ansteigung des Berges bedeckte. Hierher begab sich auch Tamenund mit ruhiger Fassung nach einer kurzen und rührenden Unterredung mit Uncas, von welchem sich der Greis mit dem Widerstreben eines Vaters trennte, der ein längst verlorenes, eben wiedergewonnenes Kind verlassen soll.
Mittlerweile hatte Duncan Alice in
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