Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
entfernt; aber mit den Frauen in Eurem Gefolge ist es unmöglich.«
»Warum? Sie sind zwar ermüdet, aber für einen Ritt von ein paar Meilen weiter noch kräftig genug.«
»Es ist eine offenbare Unmöglichkeit!«, wiederholte der Kundschafter, »für die beste Büchse in den Kolonien möchte ich in Gesellschaft des Läufers nach Einbruch der Nacht keine Meile in diesen Wäldern machen. Sie sind voll von lauernden Irokesen und Euer Zwitter-Mohawk weiß zu gut, wo er sie zu finden hat, als dass ich sein Gesellschafter werden möchte.«
»Seht Ihr die Sache so an?«, sprach Heyward, indem er sich in dem Sattel vorneigte und seine Stimme fast zu einem Geflüster sinken ließ; »ich gestehe, ich war auch nicht ohne Argwohn, obgleich ich ihn wegen meiner Begleiterinnen zu verbergen suchte. Eben weil ich Verdacht schöpfte, wollt’ ich ihm nicht länger folgen, und ließ ihn, wie Ihr seht, hinter mir hergehen.«
»Ich wusste, dass er ein Betrüger ist, sobald ich ihn anblickte!«, versetzte der Kundschafter, als Zeichen der Vorsicht einen Finger auf die Nase legend. »Der Spitzbube lehnt am Fuße des jungen Baums, den Ihr über die Büsche weg sehen könnt, sein rechtes Bein steht in einer Richtung mit der Rinde des Baums, und (hier griff er nach seiner Büchse) ich kann ihn von meinem Standpunkt aus zwischen dem Knöchel und dem Knie nehmen, dass ihm für wenigstens einen Monat das Herumstreichen in den Wäldern vergeht. Ginge ich zu ihm zurück, so würde der Schlaukopf etwas wittern, und wie ein erschrecktes Reh durch die Bäume entschlüpfen.«
»Das geht nicht. Er kann unschuldig sein, und ich liebe diese Handlungsweise nicht. Und doch, wenn ich gewiss wüsste, dass er ein Verräter –«
»Auf die Schurkerei eines Irokesen darf man mit Sicherheit rechnen«, sprach der Kundschafter, indem er instinktiv nach seiner Büchse griff.
»Halt!«, unterbrach ihn Heyward, »es geht nicht – wir müssen an etwas anderes denken – und doch, ich habe guten Grund zu glauben, dass der Schuft mich getäuscht hat.« Der Jäger, welcher bereits seine Absicht, den Läufer lahm zu schießen, aufgegeben hatte, sann einen Augenblick und machte dann ein Zeichen, das seine zwei roten Begleiter ihm sogleich zur Seite rief. Sie sprachen leise, aber lebhaft in delawarischer Sprache miteinander; aus den Gebärden des Weißen jedoch, der sich häufig gegen den Gipfel des jungen Baumes richtete, ging deutlich hervor, dass er von ihrem verborgenen Feinde sprach. Seine Begleiter hatten seine Wünsche alsbald verstanden, legten ihre Feuergewehre weg, wandten sich nach entgegengesetzten Seiten und vergruben sich mit so vorsichtigen Bewegungen in das Dickicht, dass ihre Tritte nicht gehört werden konnten.
»Jetzt geht zurück«, sprach der Jäger wieder zu Heyward, »und haltet den Teufelsbalg mit Reden hin; die Mohikaner hier wollen ihn lebendig fangen, ohne ihm die Schminke zu verderben.«
»Nein«, sprach Heyward stolz, »ich will ihn selbst fassen.«
»Pah! Was vermöget Ihr zu Pferd gegen einen Indianer in den Büschen?«
»Ich steige ab.«
»Glaubt Ihr, er werde, wenn er sieht, dass Ihr einen Fuß aus dem Bügel habt, warten, bis auch der andere frei ist? Wer in den Wäldern mit den Eingeborenen zu tun hat, muss indianische Kniffe brauchen, wenn er etwas ausrichten will. Geht denn, sprecht vertraulich mit dem Bösewicht, und tut, als ob Ihr ihn für Euren treuesten Freund auf Erden hieltet.«
Heyward schickte sich an, diesen Rat zu befolgen, obgleich ihm die Rolle, die er zu spielen hatte, nicht behagen wollte. Indes überzeugte er sich jeden Augenblick mehr, dass er durch sein zu großes Vertrauen seine Schützlinge in eine sehr missliche Lage versetzt hatte. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Wälder, plötzlich ihres Lichtes beraubt, nahmen eine düstere Farbe an, welche ihn ernstlich erinnerte, dass die Stunde, welche die Wilden gewöhnlich für ihre grausamsten und gefühllosesten Akte der Rache oder der Feindseligkeiten wählten, mit schnellen Schritten heranrücke. Von Besorgnissen bestürmt, verließ er den Kundschafter, welcher unmittelbar darauf in eine laute Unterredung mit dem Fremden einging, der sich mit so wenig Umständen am Morgen in die Reisegesellschaft eingedrängt hatte. Als er an seinen zarten Begleiterinnen vorbeiritt, sprach er einige Worte der Ermutigung zu ihnen und fand zu seiner Freude, dass sie, obgleich ermüdet von den Anstrengungen des Tages, keinen Verdacht zu haben schienen, ihre
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