Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Inhalt. Der vorderste Indianer machte einen Sprung wie ein angeschossener Hirsch und stürzte häuptlings in die Felsenklüfte der Insel.
»Jetzt, Uncas!«, rief der Kundschafter, sein langes Messer ziehend, während seine Augen vor Kampflust erglühten, »nimm den Letzten der heulenden Satane; der anderen zwei sind wir gewiss!« Uncas tat, wie ihm befohlen wurde, und nur noch zwei Feinde blieben übrig. Heyward hatte eine seiner Pistolen Falkenauge gegeben, und sie stürzten zusammen die kleine Anhöhe hinab, ihren Feinden entgegen. Zu gleicher Zeit gaben sie Feuer, aber beide ohne Erfolg.
»Das wusst’ ich und hab’ es vorausgesagt!«, murmelte der Kundschafter, indem er die verachtete kleine Waffe mit bitterem Hohn in den Wasserfall hinabwarf. »Kommt, ihr blutgierigen Höllenhunde! Ihr kriegt einen Gegenmann von unverfälschtem Blut!«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so war er mit einem Wilden von gigantischem Wuchs und wutschnaubender Miene im Kampf. In demselben Augenblicke fand sich Duncan von dem zweiten angegriffen und war mit ihm im Handgemenge. Mit gleicher Gewandtheit hatten Falkenauge und sein Gegner einander die aufgehobene, mit dem tödlichen Messer bewaffnete Hand aufgefangen. Fast eine Minute standen sie da, einander starr ins Auge blickend und alle Muskelkraft anstrengend, um zu siegen. Endlich gewannen die zähen Sehnen des Weißen über die Glieder des weniger geübten Eingeborenen die Oberhand. Der Arm des Letzteren wich allmählich der wachsenden Kraft des Kundschafters, welcher plötzlich die bewaffnete Hand dem Griff des Feindes entriss und die scharfe Waffe ihm durch die nackte Brust in das Herz stieß. Mittlerweile war Heyward in einem noch gefahrvolleren Kampfe begriffen. Sein schwacher Degen war bei dem ersten Angriff zerbrochen. Da er jetzt jedes anderen Verteidigungsmittels beraubt war, hing seine Rettung ganz von seiner Körperstärke und Entschlossenheit ab. Obgleich es ihm an keiner von beiden fehlte, so hatte er doch einen Feind gefunden, der ihm durchaus gewachsen war. Glücklicherweise gelang es ihm bald, seinen Gegner zu entwaffnen, dessen Messer auf den Felsen zu ihren Füßen hin fiel. Von diesem Augenblick an entstand ein wildes Ringen darum, welcher von beiden den anderen von der schwindelnden Höhe in den nahen Abgrund des Wasserfalls hinabzustürzen vermöchte. Jeder Erfolg des einen oder anderen brachte sie dem Rande näher, wo, wie Duncan wohl einsah, die letzte Anstrengung über den Sieg entscheiden musste. Jeder der Ringenden bot alle seine Kräfte auf, und jeder neue Versuch brachte sie dem Rande des Absturzes näher. Heyward fühlte den Griff des anderen an seiner Kehle und las in seinem wilden Lächeln die rachsüchtige Hoffnung, dass der Feind dem gleichen Schicksale entgegengehe. Da fühlte er, wie sein Körper einer unwiderstehlichen Kraft zu unterliegen begann; und der junge Mann empfand die flüchtige Todesangst eines solchen Augenblicks in ihrer ganzen Furchtbarkeit. In dieser höchsten Gefahr fuhr plötzlich eine dunkle Hand und ein glänzendes Messer zwischen ihn und den Gegner. Der Indianer ließ los, als das Blut in vollen Strömen um die durchschnittenen Sehnen seines Handgelenks floss. Uncas’ rettender Arm riss Duncan zurück, während sein entzücktes Auge noch auf den wilden, verzweiflungsvollen Zügen seines Feindes ruhte, der rettungslos in den vernichtenden Abgrund stürzte.
»Ins Versteck! Ins Versteck!«, schrie Falkenauge, der soeben seinen Gegner abgefertigt hatte; »ins Versteck, wenn euer Leben euch lieb ist! Die Arbeit ist nur halb getan!«
Der junge Mohikaner erhob ein lautes Triumphgeschrei und glitt, von Duncan gefolgt, die Anhöhe hinan, von der sie zum Kampfe herabgekommen waren, nach dem freundlichen Schutze der Felsen und Gesträuche zurück.
8
– Sie säumen noch,
Die Rächer ihres Heimatlandes.
THOMAS GRAY
Der Warnungsruf des Kundschafters war nicht überflüssig. Während der soeben geschilderte Kampf stattfand, wurde das Brausen des Wasserfalls durch keinen menschlichen Laut unterbrochen. Es war, als ob die Teilnahme am Verlaufe desselben die Eingeborenen am Gegenufer in atemloser Erwartung erhalten hätte, während die schnellen Bewegungen und die plötzlichen Wechsel in den Stellungen der Kämpfenden wirklich nicht erlaubten, Feuer zu geben, da es dem Freunde wie dem Feinde gefährlich werden konnte. Sobald aber der Kampf entschieden war, erhob sich ein so stürmisches Geheul, wie es nur immer Wut und Rachesucht
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