Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zitterten und zogen sich krampfhaft zusammen, das Haupt sank herab auf die Brust, und wie ein Bleiklumpen stürzte die Leiche in die schäumenden Wasser, das Element schloss sich über ihm mit rastlosem Ungestüm, und jede Spur des unglücklichen Huronen war auf immer verschwunden.
Kein Siegesruf folgte dem wichtigen Vorteil; selbst die Mohikaner starrten einander mit schweigendem Entsetzen an. Ein einziger Schrei erscholl aus dem Wald, und alles war wieder still. Falkenauge, der allein noch die Besinnung behalten zu haben schien, schüttelte den Kopf über seine augenblickliche Schwäche und machte sich laute Vorwürfe darüber.
»Es war die letzte Ladung in meinem Horn und die letzte Kugel in meiner Tasche; das hieß wie ein Knabe gehandelt! Was lag daran, ob er tot oder lebendig auf den Felsen fiel? Mit dem Fühlen wär’s bald vorbei gewesen. Uncas, Junge, geh hinab in das Kanu, und bring’ das große Horn; es ist alles Pulver, das wir noch haben, und wir brauchen’s bis auf das letzte Korn, oder ich kenne die Mingos nicht.«
Der junge Mohikaner willfahrte und verließ den Kundschafter, der den unnützen Inhalt seiner Tasche durchsuchte und sein leeres Horn mit erneuter Unzufriedenheit schüttelte. Von dieser unerfreulichen Untersuchung schreckte ihn jedoch bald ein lauter, durchdringender Schrei aus Uncas Mund auf, der selbst Duncans ungeübtem Ohr wie die Botschaft eines neuen, unerwarteten Unfalls klang. Da jeder Gedanke seiner Seele nur auf den kostbaren, ihm anvertrauten, in der Höhle verborgenen Schatz gerichtet war, so fuhr der junge Mann auf, unbekümmert um die Gefahr, der er sich aussetzte. Wie vom gleichen Drange getrieben, ahmten auch seine Begleiter diese Bewegung nach und stürzten zu der freundlichen Kluft mit einem Ungestüm, welches das zerstreute Feuer ihrer Feinde vollkommen unschädlich machte. Der ungewohnte Schrei zog auch die Schwestern mit dem verwundeten David aus ihrem Zufluchtsorte herbei, und ein einziger Blick machte sie mit dem Unstern bekannt, der selbst die kalte Ruhe ihres jungen indianischen Beschützers aus dem Gleichgewichte brachte.
In geringer Entfernung von dem Felsen sah man ihre kleine Barke durch den Strudel in der schnellen Strömung des Flusses auf eine Weise dahintreiben, welche schließen ließ, dass ihr Lauf durch eine verborgene Kraft gelenkt wurde. Sobald dieser unwillkommene Anblick sich dem Auge des Kundschafters darbot, griff er instinktiv nach seiner Büchse, aber der Lauf entsprach den sprühenden Funken des Steines nicht.
»Es ist zu spät, es ist zu spät!«, rief Falkenauge, indem er mit bitterem Unmut die Waffe sinken ließ, »der Schurke hat die Strömung gewonnen, und hätten wir auch Pulver, so könnt’ es kaum die Kugel schneller jagen, als er jetzt forttreibt!«
Der waghalsige Hurone hob jetzt den Kopf über die Wandung des Kanus empor, winkte, während er pfeilschnell in der Strömung dahinglitt, mit der Hand, und stieß einen Schrei aus, der das wohlbekannte Zeichen eines glücklichen Erfolges war. Sein Ruf wurde durch gellendes Geheul und höhnendes Gelächter aus den Wäldern beantwortet, das so boshaft klang, als ob fünfzig böse Geister ihre Lästerungen über den Fall einer Christenseele ausstießen.
»Ihr habt gut lachen, ihr Höllenkinder!«, sprach der Kundschafter, indem er sich auf den Vorsprung eines Felsens setzte, und die Büchse nachlässig zu seinen Füßen fallen ließ; »die drei schärfsten und besten Flinten in diesen Wäldern sind jetzt nicht mehr wert als drei Wollkrautstängel oder ein vorjähriges Rehgeweih!«
»Was ist zu tun?«, fragte Duncan, bei welchem der Eindruck getäuschter Hoffnung dem männlichen Verlangen nach Anstrengung gewichen war, »was wird aus uns werden?«
Falkenauge fuhr statt der Antwort auf eine so bezeichnende Weise mit dem Finger um seinen Schädel, dass seine Herzensmeinung von niemand bezweifelt werden konnte.
»Gewiss, gewiss steht es mit uns noch nicht so verzweifelt«, rief der junge Mann; »die Huronen sind nicht hier; wir können die Höhlen verteidigen, uns ihrer Landung widersetzen.«
»Mit was?«, fragte kaltblütig der Kundschafter. »Mit Uncas’ Pfeilen? Oder mit Weibertränen? Nein, nein: Ihr seid jung und reich und habt Freunde; in solchem Alter ist es freilich hart zu sterben! Aber«, hier warf er einen Blick auf die Mohikaner, »lasst uns bedenken, dass wir Männer reiner Abkunft sind, und diese Eingeborenen der Wälder lehren, dass weißes Blut so frei als rotes
Weitere Kostenlose Bücher