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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Fenimore Cooper
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zum Schusse bringen kann, und wir ihm sein Blei von beiden Seiten des Baumes wieder heimgeben.«
    Uncas wartete, bis der Kundschafter das Signal gab. Die Büchsen blitzten, Blätter und Rinde der Eiche flogen in die Luft und wurden vom Winde zerstreut; der Indianer aber erwiderte ihren Angriff mit einem höhnischen Gelächter und antwortete ihnen mit einer zweiten Kugel, welche Falkenauge die Mütze vom Kopfe schlug. Noch einmal erscholl das wilde Geheul aus den Wäldern, und ein Hagel von Kugeln pfiff über die Köpfe der Belagerten hin, als wollten sie diese an dem Orte zusammenhalten, wo sie ein leichtes Opfer des unternehmenden Kriegers werden mussten, der seinen Standpunkt auf dem Baume genommen hatte.
    »Da muss geholfen werden!«, sagte der Kundschafter, mit unruhigem Auge um sich blickend. »Uncas, ruf deinen Vater: Wir brauchen alle unsere Waffen, um die zähe Raupenbrut von ihrem Aste herabzuschütteln.«
    Das Signal war sogleich gegeben, und ehe Falkenauge seine Büchse zum zweiten Mal geladen hatte, war Chingachgook bei ihnen. Als der Sohn dem erfahrenen Krieger die Stellung des gefährlichen Feindes gezeigt hatte, entfuhr der gewöhnliche Ausruf: »Hugh« seinen Lippen; weiter ließ er kein Zeichen der Verwunderung oder der Besorgnis vernehmen. Falkenauge und die Mohikaner berieten sich einige Augenblicke ernstlich in delawarischer Sprache, dann nahmen sie ruhig ihre Posten ein, um den eilig verabredeten Plan in Ausführung zu bringen.
    Der Krieger auf der Eiche hatte von dem Augenblick seiner Entdeckung an ein ununterbrochenes, aber unwirksames Feuer unterhalten. Die Wachsamkeit seiner Feinde erlaubte ihm jedoch nicht, genau zu zielen, da ihre Büchsen sogleich alles, was von ihm sichtbar ward, sich zum Ziele nahmen: Immer jedoch fuhren seine Kugeln mitten unter die lauernden Verteidiger. Heywards Kleider, die ihn vor den anderen sichtbar machten, wurden wiederholt getroffen, und einmal floss sogar Blut aus einer leichten Wunde am Arme.
    Endlich versuchte der Hurone, durch die lange, geduldige Wachsamkeit seiner Feinde verwegen gemacht, besser und genauer zu zielen. Das scharfe Auge der Mohikaner entdeckte durch das dünne Laubwerk wenige Zoll von dem Stamme des Baumes die dunklen Umrisse seiner Beine, welche er unvorsichtigerweise bloßgestellt hatte. Ihre Büchsen feuerten gemeinschaftlich; da sank er auf sein verwundetes Bein zusammen, sodass ein Teil seines Leibes zum Vorschein kam. Mit Blitzesschnelle benützte Falkenauge diesen Vorteil und feuerte sein Gewehr nach dem Gipfel der Eiche ab. Die Blätter bewegten sich ungewöhnlich, die gefährliche Büchse fiel von der Höhe herab, und nach wenigen Minuten vergeblicher Anstrengung zeigte sich die Gestalt des Wilden in der Luft schwebend, während er noch einen knorrigen nackten Ast des Baumes verzweiflungsvoll umklammert hielt. »Gebt ihm – um Gottes Willen! Gebt ihm noch eine Kugel!«, rief Duncan, seine Augen abwendend vor Grauen über das Schauspiel, ein Mitgeschöpf in solch’ entsetzlicher Todesangst zu sehen.
    »Kein Korn!«, rief der harte Falkenauge; »sein Tod ist gewiss, und wir müssen das Pulver sparen: Kämpfe mit Indianern dauern oft ganze Tage; es gilt ihren oder unseren Skalps! Und Gott, der uns erschaffen, hat in unsere Natur den Wunsch gelegt, die Haut auf dem Kopfe zu behalten!« Gegen diese strenge und unbeugsame Moral, die noch durch eine so handgreifliche Politik unterstützt wurde, ließ sich nichts einwenden. Von diesem Augenblicke an verstummte das Geheul in den Wäldern wieder, das Feuer hörte auf und aller Augen, der Freunde sowohl als der Feinde, waren auf die hoffnungslose Lage des Unglücklichen gerichtet, der zwischen Himmel und Erde schwebte. Sein Körper wurde vom Winde hin und her getrieben, und obwohl dem Schlachtopfer kein Ächzen oder Stöhnen entfuhr, so gab es doch Augenblicke, wo er grimmige Blicke auf seine Feinde niederschoss, und die Angst kalter Verzweiflung malte sich trotz der Entfernung sehr deutlich auf seinen schwärzlichen Zügen. Dreimal hob der Kundschafter mitleidig seine Büchse und dreimal gewann die Klugheit über sein Gefühl: Schweigend senkte er sie wieder. Endlich ließ der Hurone eine Hand los und erschlafft sank sie an seine Seite herab. Eine verzweiflungsvolle fruchtlose Anstrengung, den Ast wieder zu fassen, erfolgte, und man sah, wie er einen flüchtigen Augenblick in der leeren Luft umhergriff. Blitzschnell fuhr ein Schuss aus Falkenauges Büchse, die Glieder des Schlachtopfers

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