Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
versuchte, es wäre ich, die in dem Kleid steckte und von ihm gequält wurde?« Arima ließ das Mädchen los, und dieses raffte schluchzend das zerrissene Kleid zusammen, taumelte ein paar Schritte beiseite und setzte sich hart auf den Boden.
Scurfa dachte nach. »Für die Freiheit meines Volkes würde ich noch schlimmere Dinge geschehen lassen.«
Afdza hörte sich sagen: »Du bist ein toter Mann, Scurfa.« Er hob den Bogen, den er immer noch trug, und legte einen Pfeil ein.
Scurfa schielte auf den Bogen. »Das wagst du nicht, Maure. Und warum solltest du es tun? Ah … du treibst es mit der Herrin von Roncevaux – mit der echten, meine ich – und stellst dir gerade vor, es wäre tatsächlich sie gewesen, die der Grünschnabel malträtiert hat, habe ich recht?«
Afdza spannte wortlos den Bogen. Scurfa zog eine höhnische Grimasse. »Abu Taur hat mir von dir erzählt. Der ehrenhafte, aufrechte Maurenkrieger! Der Paladin von Suleiman ibn al-Arabi! Der Mann, der dafür gesorgt hat, dass Aercenbryht, dieser Abtrünnige, verschont wurde. Der nie einen Wehrlosen aus Rache töten würde.«
Der Bogen knallte. Scurfa, der auf dem Boden saß, wurde nach hinten umgerissen. Er richtete sich halb auf und starrte auf den Pfeil, der fast bis zu den Federn in seiner Brust steckte. Sein Blick hob sich zu Afdza – voller Unglauben.
»Abu Taur hat dir Mist erzählt«, sagte Afdza.
Scurfa sank zur Seite. Er röchelte. Blut lief ihm aus Mund und Nase. Seine Beine begannen zu zucken, seine Hosen färbten sich im Schritt dunkel vor Nässe. Afdza wandte sich ab. Er hatte sich vor dem Mord an Scurfa beschmutzt gefühlt von all der Gemeinheit, die er gesehen hatte. Jetzt fühlte er sich noch beschmutzter.
Adalric nutzte die Gelegenheit. Er packte die Magd, die die ganzen Tage über sein Opfer gewesen war, und schleppte die um sich Schlagende zum nächsten Pferd. Ein kleines, dünnes Messer erschien in seiner Hand und presste sich an ihre Wange, direkt unter einem Auge. Das Mädchen erstarrte. Die Maurenkrieger hatten Adalric offenbar nur oberflächlich nach Waffen durchsucht. »Wenn du nicht willst, dass sie ein Messer ins Hirn bekommt, lass mich gehen, Arima!«, zischte er. Dann zog sich ein Grinsen über sein Gesicht. »Sie hat nicht nur mitgespielt, weil ich sie gezwungen habe, sondern weil sie dachte, sie könnte dich damit schützen, falls du zurückkehren solltest. Was du nicht rechtzeitig getan hast, sonst wäre all das nicht nötig gewesen!«
Afdza hatte den Bogen gespannt und zielte. Ruhig sagte er zu Arima: »Ich habe ihn. Sag nur ein Wort, Herrin.«
Adalric duckte sich noch mehr hinter dem Mädchen.
»Nein«, sagte Arima. »Ihr soll nichts mehr geschehen. Ich möchte nicht das geringste Risiko eingehen.«
Afdza ließ den Bogen sinken. Er war sicher, dass er Adalric getroffen hätte, ohne die Magd auch nur zu ritzen, aber er verstand Arimas Beweggründe.
Adalric schwang sich auf das Pferd und zog das Mädchen sofort wieder als lebenden Schutzschild an sich. Diese starrte flehentlich von Afdza zu Arima und zurück.
»Du wirst sie freilassen, wenn du in Sicherheit bist«, sagte Arima.
»Du bist zwar nicht in der Lage, Forderungen zu stellen«, erklärte Adalric, »aber ich will mal nicht so sein und garantiere es dir.«
Er sprengte zum Tor hinaus. Afdza rannte die Leiter zum Wehrgang hoch. Zusätzlich zu dem Feuer in der Schmiede war noch eines mitten im Burghof entzündet worden, dessen Schein durch das weit geöffnete Tor nach draußen fiel. Afdza spannte den Bogen. Gleich würde der Gascogner den letzten schwachen Lichtschein verlassen haben und nicht mehr zu treffen sein. Er sah zu, wie Adalric das Mädchen vom Pferd stieß, dann hatten ihn die Dunkelheit und der zum Burgweg hin steiler werdende Abhang verschluckt. Die Magd lag auf dem Boden und rührte sich nicht.
Als Afdza bei der Magd ankam, war Arima bereits bei ihr. Ihr Blick war hilflos, als sie zu ihm aufschaute. Das Mädchen war tot. Aus einer blutüberströmten Augenhöhle ragte der Griff von Adalrics Messer.
Burg Roncevaux war wieder frei.
Die Toten wurden vor die Burg gebracht. Morgen würden die überlebenden sächsischen Krieger die Leichen aus der Schlucht bergen und alle beerdigen. Die Sachsen baten darum, ihre Gefallenen wie fränkische Tote in Einzelgräbern bestatten und ihnen ihre Waffen mitgeben zu dürfen, aber nachdem Arima die Frauen und Kinder gesehen hatte, die sich in ihrer Gewalt befunden hatten, verweigerte sie ihnen diesen
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