Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
verteidigen.
»Ohne ihn wäre ich nicht unbeschadet bis hierhergekommen«, sagte Bertha de Laon ruhig, die neben Suleiman getreten war.
»Tatsächlich?«
Bertha de Laon lächelte schmal. »Na gut – ohne ihn, ohne sein halbes Dutzend Panzerreiter und ohne die Eskorte, die du mir entgegengesandt hast …«
Suleiman verneigte sich. Dann bückte er sich und zerrte den ächzenden Lope de Gasconha auf die Beine, lehnte ihn gegen die Wand, zog ihm das Messer aus dem Gürtel und warf es weg – und brachte dann Lopes verknitterte Tunika in Ordnung, zupfte ihm einen imaginären Faden von der Kleidung und klopfte ihm auf die Schulter wie einem alten Freund. »Lasst uns reden«, sagte er und setzte dabei seine fröhlichste Miene auf. »Dux, Herrin – welche Erfrischung kann ich euch anbieten?«
Wenig später saßen sie bei Wein, Datteln und in Honig eingelegten Trockenfrüchten im Kreis. Suleiman, der genau wusste, dass er den schwerfälligen Lope mit seiner plötzlichen Leutseligkeit ebenso verwirrte wie zuvor mit seinem Zornausbruch, spielte den liebenswürdigen Gastgeber. Im Stillen wünschte er sich, dass der Gascogner an einer Dattel erstickte; aber erst, wenn er ihm nicht mehr von Nutzen war. Dazwischen nötigte er Bertha de Laon Leckerbissen auf, machte ihr versteckte Komplimente und sah zu, wie ihr hochmütiger Panzer ganz allmählich schmolz. Er hatte Erkundigungen eingezogen, nachdem er ihre Nachricht erhalten hatte, Erkundigungen, die weit über das hinausgingen, was er von Abu Taur und Afdza Asdaq erfahren hatte. Und weil er ein ebenso hervorragender Shatranjspieler wie ein vollendeter Eroberer von Frauenherzen war, hatte er sich nicht nur über Bertha erkundigt, sondern auch über ihren Mann Ganelon.
Die Frauen wollten allesamt von den Männern begehrt werden. Die meisten von ihnen aber, dessen war Suleiman sicher, wollten dieses Begehren auf elegante Art und Weise verspüren und immer so, dass ein kleiner Rest Spielerei dabeiblieb und ein großer Rest Unsicherheit auf Seiten des Mannes, so dass die Frau bis zuletzt so tun konnte, als hätte sie die Situation in der Hand – besonders dann, wenn ihr Herz in Wahrheit schon in Flammen stand. Die fränkischen Frauen würden sich im Grunde ihres Wesens nicht von den Maurinnen unterscheiden, dessen fühlte Suleiman sich ebenfalls gewiss. Und deshalb pflegte er bei jeder Eroberung einer verheirateten Frau herauszufinden, von welcher Art ihr Gemahl war – um sich dann in der Regel genau entgegengesetzt zu verhalten. Die Liebe erforderte nicht weniger Taktik als der Krieg, und wenn der Krieg mithilfe der Liebe entschieden werden konnte, dann war jede diesbezügliche Taktik recht.
Deshalb wusste er, dass Ganelon de Ponthieu, Berthas Mann und Karls Schwager, Paladin und einer der klügsten Männer an Karls Hof, seiner Frau eine tief ergebene, melancholische, ernsthafte Liebe entgegenbrachte, die ihn eigentlich zum Wunschgefährten jeder Frau machte. Ein Mann wie Ganelon las seinem Weib jeden Wunsch von den Augen ab, hatte für sein Leben außerhalb des Kriegsdienstes kein größeres Ziel als seine Gemahlin glücklich zu sehen, er liebte alles, was sie liebte, er würde für sie bedenkenlos töten und sogar aus dem Grab auferstehen, um sie zu beschützen. Und deshalb vermittelte Suleiman seiner Gesprächspartnerin so gut er nur konnte das Gefühl, dass er ganz anders war, dass man sich in Liebesdingen nicht unbedingt auf ihn verlassen konnte, dass er erwartete, seine Gespielin werde seinen Wünschen folgen und nicht umgekehrt – aber dass man herzhaft lachen und sich in einer verantwortungslosen Leidenschaft verlieren und Flügel bekommen und jede Beschwernis vergessen und das Leben in vollen Zügen genießen konnte, solange man mit ihm beisammen war. Es war nötig, dass Bertha sich zu ihm hingezogen fühlte. Sonst würde sie am Ende doch nicht den Verrat begehen, um dessentwillen sie eigentlich hierhergekommen war und der Suleimans al-Andalus für immer vor den Franken retten sollte. Immerhin würde es ein Verrat nicht nur an ihrem Bruder Karl, sondern auch an ihrem Gatten sein, auch wenn ihr Letzteres vermutlich nicht vollends klar war.
Doch zunächst musste er sich Lope de Gasconha widmen, der beschlossen zu haben schien, dass Unterwürfigkeit ihn weiter brachte als das Beharren auf seinem gascognischen Stolz. »Mein Sohn ist ein Hitzkopf, Herr«, sagte er. »Selbstverständlich hätte er Burg Roncevaux noch unter deinen Schutz gestellt, wenn er sie
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