Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
lautlos zu weinen. »Was soll ich bloß tun«, wisperte sie.
Suleiman hielt den Atem an. Jetzt kam es darauf an, die richtigen Worte zu finden.
»Ich werde Euch einen Grund senden«, sagte Suleiman. »Einen Grund für Euren Mann Ganelon, zu mir zu kommen und mir den Frieden anzubieten. Einen Grund, der Euren Bruder Karl dazu bewegen wird, Ganelon aus freien Stücken zu mir zu schicken. Einen Grund, der Euren Mann nicht zum Verräter, sondern zum Helden und zum Retter des Frankenreichs macht.«
Bertha sah tränenüberströmt zu ihm auf. »Wie willst du das tun?«
»Wartet es ab«, sagte er lächelnd. »Ihr werdet das Zeichen erkennen.«
Und Ganelon wird kommen, dachte Suleiman, so wie er auch gekommen wäre, wenn nicht Karl ihn als Botschafter senden würde, sondern nur du ihn darum gebeten hättest. Weil seine Liebe zu dir noch verzweifelter ist als deine zu Roland.
Er nahm Berthas kalte Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Ich danke Euch, Herrin«, sagte er leise, »dass Ihr unseren beiden Reichen den Frieden bringt.«
Dann wandte er sich an Lope. »Wo ist dein Sohn?«, fragte er.
Lope zuckte zusammen und schüttelte sich, als müsste er in die Wirklichkeit zurückfinden. »Äh?«, machte er. »Er … er ist natürlich bei meinem Volk jenseits der Berge und …«
»Er ist hier in Medina Barshaluna«, sagte Suleiman. »Denkst du, ich habe meine Ohren und Augen nicht in jeder Gasse? Sende ihn zu mir.«
»Aber …«
»Sag ihm, dass ich mit ihm über Abu Taur sprechen will.«
»Herr«, sagte Lope fast bittend, »er hat sich verführen lassen … er ist mein einziger Sohn, Herr …«
Suleiman lächelte. »Sage ihm, dass ich mit ihm über Abu Taur sprechen will, weil ich ihm verzeihen und ihm sagen will, dass ich erkannt habe, wie nützlich mir seine Dienste sind.«
Lopes Mund klappte auf und wieder zu. Suleiman fuhr fort zu lächeln. Mit den Gedanken war er bereits wieder bei Ganelon, von dessen Bereitschaft zur Kooperation nun alles abhing.
Es war wichtig, dass Ganelon der Botschafter war. Denn keinen anderen der Paladine würde er, Suleiman, dazu bringen können, denjenigen ans Messer zu liefern, den Bertha am meisten liebte: Roland. Aus Liebe zu Bertha würde Ganelon an der Vernichtung der größten Liebe seiner Frau mitwirken. Und Roland musste beseitigt werden, sonst würde er in den kommenden Jahren zu einer noch größeren Gefahr für Suleiman werden als König Karl.
BURG RONCEVAUX
Arima hörte das Hämmern gegen ihre Kammertür. Im Erwachen fühlte sie ein paar köstliche Augenblicke lang Afdzas Arm um ihren Körper und die Wärme seiner Nähe. Dann erschrak sie, denn das Hämmern konnte nur von Roland kommen, der sie und Afdza im nächsten Moment ertappen würde! Übergangslos war sie hellwach. Der Arm um ihren Körper entpuppte sich als der ihrer Zofe, die neben ihr im Bett schlief. Das Gehämmer stammte jedoch nicht von ihrem Bräutigam, sondern von einem der Frankenkrieger, der jetzt zu rufen begann: »Herrin? Bist du wach? Herrin?« Arima war wieder in der Realität, in der weder Afdza noch Roland bei ihr waren und in der es nur das verbissene tägliche Durchhalten gab – gegen die Einsamkeit und gegen das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben.
»Ja, ich bin wach!«, rief sie mit belegter Stimme. Die Zofe stöhnte im Halbschlaf und wälzte sich auf die andere Seite, als Arima ihr einen Stoß versetzte. »Was gibt’s?«
»Hunald möchte, dass du kommst, Herrin.« Hunald war der Scharführer der Frankenkrieger, die Roncevaux formell besetzt hatten. In den vielen Wochen seit ihrer Ankunft hier hatte sich eine gewisse Vertrautheit eingeschlichen, die seit Rolands Weggang stärker geworden war. Hunald war ein Beispiel dafür, dass man die Franken wegen ihres robusten Aussehens gern unterschätzte. Er war ein besonders stiernackiger Mann mit einem dichten Schnurrbart, der seine Lippen vollkommen überwucherte, einem flachen Hinterkopf und Oberarmen, die so dick waren wie die Taillen der Dienstmägde auf Roncevaux. Dennoch war er es gewesen, der Arimas Verzweiflung nach Rolands Abschied gespürt und mit kleinen Handlungen für einen gewissen Trost gesorgt hatte. Er hatte ein paar Schäden auf der Burg reparieren lassen, er hatte die mit Pergament bespannten Holzrahmen, die Arima in die Fensteröffnungen ihrer Kammer klemmte, wenn der Wind zu sehr pfiff, neu mit hauchdünn geriebener Schweinshaut versehen, so dass jetzt mehr Licht durch die Fenster fallen konnte; und als überraschend
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