Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Zorn fühlte er plötzlich Trauer. Die Zeiten hatten sich geändert. Karl hatte sich geändert. Der Papst mitsamt der ganzen Romkirche saß bereits auf seinen Schultern.
»Und die Neutralität der Burg, die die Offenheit des Passes garantiert?«, rief Piligrim. »Was ist damit? Hast du nicht immer gesagt, nur diese Neutralität bewahre den Frieden zwischen den Mauren und uns?«
»Es gibt keinen Frieden zwischen Heiden und Christen«, sagte Styrmi scharf. »Und jetzt sind sie schwach, weil sie uneins sind.«
»Nach den heidnischen Sachsen kommen die heidnischen Mauren dran, was?«, fragte Turpin bitter.
»Das Reich zu vergrößern war immer unser Ziel«, sagte Karl leise. »Stehst du nicht mehr dahinter, Turpin?«
»Doch, aber … es ist …«, stammelte Turpin, völlig auf dem falschen Fuß erwischt. »Es ist …« Wie sollte er dem König sagen, dass es nicht das Gleiche war, ob die Frankenkrieger ihre Grenzen ausdehnten, weil sie ein junges, mutiges Volk waren und die Kraft dazu hatten, oder ob sie es taten, um den Einfluss und die Größe eines ganz anderen zu festigen, nämlich die des Papstes? Karl würde antworten, dass es nicht die Größe des Papstes, sondern die von Jesus Christus sei, die er im Sinn habe, und was sollte man darauf erwidern? Schon gar, wenn man selbst ein Gottesmann war? Turpin senkte den Kopf. »Ich stehe immer hinter dir, Herr«, murmelte er.
»Ich fürchte, wenn ich diesen Schritt nicht tue, dann unternimmt ihn ein anderer«, sagte Karl. »Entweder die Mauren im Rahmen eines Kriegszuges über das Gebirge oder die Gascogner im Verlauf des nächsten Aufstands, der nur eine Frage der Zeit sein kann. Keine dieser Alternativen kann ein König der Franken wollen. Außerdem geht es hier auch um das Schicksal meines Mündels, Arima Garcez. Ich will weder, dass sie im Harem des Emirs von Qurtuba endet, noch im Bett von Dux Lope de Gasconha oder einem seiner Söhne.«
Piligrim verzog das Gesicht. »Der Dux ist Arimas Onkel!«, rief er.
»Lope ist ein Mann alter Traditionen«, sagte Karl. »Blutschande unter Verwandten ist für ihn normal, aber Ehebrecherinnen lässt er erdrosseln.«
»Beides ist dem Herrn ein Greuel und ein Gestank!«, dozierte Styrmi mit ernstem Blick. »Der Blutschänder ist zu exkommunizieren, und die Ehebrecherin ist zu töten!«
»Zumindest zur Hälfte würden der Papst und Dux Lope sich glänzend verstehen«, brummte Turpin, so dass nur Piligrim es hören konnte.
»Wenn du diesen Schritt tust, wird es Krieg geben«, sagte dieser laut.
»Und einen neuen glänzenden Sieg für den wahren Glauben und den von Gott erwählten König Karl!«, rief Styrmi erregt.
»Wann willst du die Nachricht bekanntgeben?«, fragte Turpin.
»Auf der Reichsversammlung – vor allen Adligen und Gästen«, verkündete Styrmi.
Karl zuckte mit den Schultern. »Wüsstest du eine bessere Gelegenheit?«
»Und die Gesandtschaft des Statthalters von Medina Barshaluna? Die Mauren werden düpiert sein. Sie kommen im Glauben, mit dir ein Bündnis einzugehen gegen Abd ar-Rahman, den Emir von Qurtuba, der die nordhispanischen Fürstentümer und dein Königreich gleichermaßen bedroht …«, gab Turpin zu bedenken.
Karl machte bei der Erwähnung des Emirs von Qurtuba ein finsteres Gesicht. Abd ar-Rahman war die stärkste Macht in al-Andalus. Bislang hatte es nur eine einzige Begegnung zwischen dem Emir und dem Frankenreich gegeben. Diese war mehr als ein Dutzend Jahre her – und sie war gekennzeichnet gewesen von Hinterlist, Verrat und einem Blutzoll, der bis in die Familie des Königs selbst hineingereicht hatte.
»… und stattdessen stößt du sie vor den Kopf, indem du die Neutralität von Roncevaux zerstörst«, setzte Turpin nach.
»Es ist nur recht und billig, dass die Mauren die Macht des Königs der Franken in dessen Gegenwart erfahren«, sagte Styrmi. »Das wird auch die letzten aufständischen Sachsenheiden lehren, dass es nur einen Weg gibt: sich dem König zu unterwerfen.«
»Recht und billig wäre es, wenn du endlich den Mund halten und den König reden lassen würdest!«, versetzte Turpin.
Styrmis Augen blitzten vor Wut.
Karl lächelte nachsichtig. »Styrmi spricht nur meine Gedanken aus, mein lieber Turpin.«
»Und jetzt?«, fragte Turpin nach ein paar Herzschlägen Stille.
»Jetzt«, sagte Karl, »möchte ich euch bitten, eure Brüder über das, was hier beschlossen worden ist, in Kenntnis zu setzen.«
Turpin nickte resigniert. So sehr sie sich auch als Karls Elite
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