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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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die größte Scherbe. Ich bin froh, dass ich daran keine Erinnerung habe. Angeblich hat ein Arzt lange Zeit um mein Auge gekämpft, bis er aufgab und die Reste herausschnitt.«
    Arima schluckte, doch da war etwas in seiner Erklärung, das nicht passte. » Man hat es dir erklärt?«, fragte sie. »Du meinst: Deine Eltern haben es dir erklärt?«
    »Ich habe meine Eltern nie kennengelernt. Mein Vater war Offizier im Heer des Statthalters von Medina Barshaluna. Er ist in einem Kampf gefallen. Meine Mutter starb nach meiner Geburt. Ich bin am Hof von Suleiman ibn al-Arabi aufgewachsen, zusammen mit anderen Waisen, für die der Wali die Verantwortung übernommen hatte.«
    »Dann ist der Statthalter so etwas wie ein Vater für dich?«
    »Nein, dazu war er immer zu fern. Nein, kein Vater. Aber so etwas Ähnliches wie König Karl für dich … oder für Roland. Ich habe eure Gesichter studiert, wenn ihr ihn angesehen habt.«
    »Roland ist jetzt dein Feind«, sagte Arima und fühlte, wie ihr plötzlich sehr schwer ums Herz wurde.
    »Er konnte nicht anders handeln. Was er tat, hat großen Mut und großes Ehrgefühl bewiesen. Ich bin stolz auf ihn.«
    »Und ich bin stolz auf dich.«
    »Arima Garcez?«, rief eine neue Stimme.
    Arima wandte sich um. Bischof Turpin kam mit schnellen Schritten heran. »Der König wünscht dich zu sehen. In der Halle.«
    »In der Halle?«
    »Geh lieber«, sagte Afdza. Er war aufgestanden und nickte Turpin zu. »Es muss sich um eine wichtige Angelegenheit handeln, wenn der König seinen besten Paladin als Boten schickt.«
    Karl begrüßte sie lächelnd und wies ihr einen Platz auf einer Bank zu, die vorhin noch nicht dagewesen war, jetzt aber neben seinem Thron stand. Verwirrt setzte Arima sich. Ihre Ratlosigkeit wurde noch größer, als kurz darauf Königin Hildegard hereinkam und sich ächzend rechts neben Arima niederließ, gefolgt von Bertha de Laon, die sich an Arimas andere Seite setzte. Die Königin stieß den Atem aus und tätschelte Arimas Hand.
    »Lass dir von keinem erzählen, eine Schwangerschaft sei ein Geschenk des Herrn, Kindchen«, sagte die Königin, die zu allen Frauen am Hof ihres Mannes »Kindchen« sagte, obwohl sie noch keine zwanzig war. »In Wahrheit prüft er damit die Geduld der Frauen.«
    »Ich habe nicht vor, bald schwanger zu werden, Herrin«, sagte Arima leise.
    Die Königin lachte. »Ach, Kindchen, das meinen alle jungen Frauen.« Sie wandte sich von ihr ab und musterte die in der Halle versammelten Krieger, aber Arimas Hand ließ sie nicht los. Völlig konfus lehnte Arima sich zu Bertha de Laon hinüber.
    »Weißt du, warum ich hier bin, Herrin?«, flüsterte sie.
    Karls Schwester warf ihr einen kalten Blick zu, dann deutete sie zum Thron hinüber. »Er weiß es.«
    »Aber …«
    »Still, es geht los«, sagte Bertha.
    Arimas Verwirrung wich langsam einer nagenden Sorge. Würde man sie nun vor aller Augen und Ohren anklagen, dass sie sich Afdza Asdaq zu oft ohne Begleitung genähert hatte – dem Mann, der es gewagt hatte, der Gerichtsbarkeit des Königs die Stirn zu bieten? Dann fiel ihr etwas ein, was sie schon verdrängt hatte, und ihr wurde kalt. Adalric de Gasconha! Hatte ihr Vetter sich bei König Karl über sie beschwert? Oder noch schlimmer – hatte er Lügengeschichten über sie erzählt, um sich an ihr zu rächen? Wie einfach wäre es für Adalric gewesen, Arima heimlich nachzureisen und so zu tun, als wolle er Karl um ihre Hand bitten; und dabei nebenher zu bemerken, dass sie ihn ohnehin schon erhört habe, im Heu des Pferdestalls von Roncevaux, im Schatten der Felsen des Ibaneta-Passes oder unter dem blauen Himmel des Pirenéus-Gebirges? Königin Hildegard musterte Arima mitleidig, und ihr wurde klar, dass ihre Hand eiskalt geworden war.
    »Kein Grund zur Aufregung, Kindchen«, sagte sie. »Der König will nur dein Bestes.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Psssst!«
    Die Paladine, die hinter dem Thron Karls gestanden hatten, kamen einer nach dem anderen hervor, beugten vor dem König das Knie und stellten sich dann mit den Gesichtern zu den Zuschauern in einem Halbkreis auf. Der Halbkreis war unvollständig. Die Plätze links und rechts von Turpin, der im Scheitel der Formation stand, waren frei, ebenso die vorletzten Plätze links und rechts. Erwartungsvolle Stille ließ das Raunen im Saal verstummen. Die Paladine trugen alle ihre Statussymbole – die Spatha am Wehrgehenk, das Horn an der Hüfte, die Axt im Gürtel und den Schild über der Schulter.

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